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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt
Autoren: Diane Janes
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fordern.
    Each night and day I pray, in hope that I might find you.
    Doch Trudie wird man nicht finden. Ich sah, wie die Erde auf sie fiel, Klumpen um Klumpen, unter dem gelben Licht der Taschenlampe. Mord ist nicht genial. Mord ist grausam und schmutzig. Mord ist Rutschen auf aufgehäufter Erde in der Dunkelheit. Ein Anblick, den man niemals sehen wollte, ein totenbleiches Gesicht in einem flackernden Lichtstrahl, das nicht zuckt, wenn die Erde darauf fällt.

2
    Trudies Ankunft warf von Anfang an einen Schatten auf unsere kleine Gruppe. Auch im wörtlichen Sinn. Sie tauchte eines Nachmittags auf, als wir am Strand saßen, und stand zwischen uns und der Sonne.
    Das Erste, was ich von ihr bemerkte, waren ihre Füße. Nackte, braune Füße  –  eher sonnengebräunt als schmutzig  –, die unter der Spitzenbordüre am Saum ihres Maxirocks hervorschauten. Jeder ihrer Zehennägel war in einer anderen Farbe lackiert: Scharlachrot, Schwarz, Pink. Auf einem Nagel schimmerte hellblauer Glitzerlack  –  der Glamrock-Stil hatte inzwischen auch an den Stränden von Wales Einzug gehalten.
    »Für einen Moment dachte ich, hier sitzt Cat Stevens«, sagte sie. Sie rollte ihr R in einem weichen, verschwommenen Akzent, den ich nicht richtig zuordnen konnte. Er erinnerte mich an duftende Sommerrosen und Tee mit Scones, Marmelade und Sahne.
    Danny hielt mit seinem Geklimper inne, und alle drei blickten wir zu ihr auf. Wenn ich mir die Szene jetzt noch einmal vergegenwärtige, sehe ich Trudie turmhoch über uns aufragen; eine hohe, dunkle Gestalt gegen das wolkenlose Blau. Ich kann die Sonnenstrahlen sehen, die um ihren Kopf herum flimmerten  –  und hinter meiner Stirn
setzt Gewitterleuchten ein. Natürlich entspricht das nicht der Situation, wie sie wirklich war. Ich konnte Trudie nicht richtig sehen, weil ich meine Sonnenbrille vergessen hatte. Zweifellos lag es am Fehlen dieser dummen Sonnenbrille, dass mir alles an diesem Tag so unwirklich hell erschien. Für alle anderen war es einfach nur ein herrlicher Tag am Meer.
    Danny gefiel der Cat-Stevens-Spruch natürlich. Er sah ihm tatsächlich ein wenig ähnlich  –  und obgleich er es immer leugnete, kokettierte er mit dieser Ähnlichkeit, indem er sich einen kleinen Ziegenbart wachsen ließ. Er hatte das gleiche dunkle Haar und die gleichen melancholischen Augen wie der Sänger. Eine Menge Leute sprachen ihn darauf an. Er und Trudie fingen sofort ein Gespräch an, aber ich war wegen des gleißenden Lichts im Nachteil: gezwungen, den direkten Blick auf den Neuankömmling zu vermeiden, während ich gleichzeitig eine vage, unangenehme Eifersucht darüber verspürte, dass sie in unsere Clique eindrang. Es lag nicht nur daran, dass ich bis zu dem Zeitpunkt das einzige Mädchen war. Selbstbewusste Menschen lösten generell ein Gefühl von Unbehagen bei mir aus. Es wäre mir genauso unmöglich gewesen, auf eine Gruppe aus drei mir völlig fremden Menschen zuzumarschieren, wie mir Flügel wachsen zu lassen und über die Dünen zu fliegen. Aber Trudie  –  Trudie war da völlig anders. Binnen weniger Minuten hatte sie sich neben uns im Sand niedergelassen und sang im Duett mit Danny. Ein Liebeslied, natürlich, was sonst? Irgendein Anne-Murray-Song über ein Kind, das in Liebe empfangen wurde.
    Ich wollte ihr ein Signal senden  –  irgendeine beiläufige, besitzergreifende Geste, um ihr klarzumachen, dass
Danny bereits vergeben war  –, aber das ist nicht so einfach, wenn das Objekt deiner Zuneigung im Schneidersitz am Strand sitzt und eine Akustikgitarre bearbeitet. Das verflixte Instrument stand zu beiden Seiten von Dannys Körper ein Stück über und verhinderte dadurch jede unauffällige Annäherung. Abgesehen davon wollte ich mir auch keine Blöße geben und uncool erscheinen, und so wartete ich den rechten Moment ab und spielte das dankbare Publikum, während ich sie verstohlen musterte.
    Sie war größer als ich, und ihr Haar war viel dunkler, aber ebenso wie ich trug sie es der damals angesagten Mode entsprechend: eine lange Mähne mit Mittelscheitel, die in einem Wasserfall bis zur Rückenmitte fiel und in einem gesplissten Gezipfel endete. Sie hatte eine bestickte indische Baumwollbluse über ihrem bodenlangen Baumwollrock an und zwei Taschen dabei, die sie beim Hinsetzen einfach neben sich in den Sand fallen ließ: eine mit Troddeln verzierte griechische Hirtentasche in Blau- und Brauntönen und eine kleine Gobelin-Reisetasche  –  was als Gepäck
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