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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt
Autoren: Diane Janes
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für einen Strandbesuch irgendwie seltsam anmutete.
    Ich merkte, dass Simon sie ebenfalls musterte. Normalerweise, dachte ich, müsste sich Simon mit Trudie für den Rest des Tages zusammentun. Dann hätten wir eine harmonische Pärchenkonstellation. Es wäre besser, wenn Simon eine Freundin hätte. Es gab keinen erkennbaren Grund, warum er bei Mädchen nicht ankommen sollte, denn er sah keinesfalls schlecht aus. Er hatte dieses glatte blonde Haar, das zur damaligen Zeit sehr gefragt war, blaue Augen und ein offenes Lächeln. Er war nachdenklich und auf eine fast schon altmodische Art höflich; darüber hinaus vermittelte er einen Eindruck von Sanftheit, weil er ziemlich leise redete und eine ungewöhnliche
Sprechweise hatte  –  jedes Wort sorgfältig formuliert, als hätte er es eigens aus einem riesigen Lexikon in seinem Kopf herausgesucht. Er wirkte auch sehr ruhig, bis man ihn besser kennenlernte, was unvermeidlich zur Folge hatte, dass man Danny eher wahrnahm als ihn.
    Dennoch war es Simon, der Trudie fragte: »Wohnst du hier in der Gegend?«, und auf ihr Nein hin nachhakte: »Wo denn dann?«, um die lässige Antwort zu erhalten: »Da und dort. Nirgendwo speziell.«
    Uns irritierte das überhaupt nicht. Es entsprach sehr dem Zeitgeist von 1972, das Image eines geheimnisvollen Hippie-Mädchens zu pflegen, das von Ort zu Ort zog, obwohl man in Wahrheit ein Schulmädchen aus Bristol war, mit einem Samstagsjob bei Woolworth und der Aussicht auf eine ordentliche Bankkarriere, sobald man die höhere Schule absolviert hätte.
    Als Trudie uns die gleichen Fragen stellte, erhielt sie natürlich ähnlich nebulöse Antworten. Wir sagten, wir seien aus Herefordshire hierhergefahren, wo wir gegenwärtig zusammen in einem großen Haus mitten in der Pampa lebten. Wir haben womöglich sogar den Eindruck entstehen lassen, es handele sich um eine Art Hausbesetzung oder eine Kommune. Ich glaube nicht, dass unsere Lebensumstände näher spezifiziert wurden, und ganz sicher wurde die Tatsache nicht erwähnt, dass wir in Wahrheit Studenten waren, die dem banalen Alltag aus Geografie-Exkursionen und Lehrerausbildung in ihren Ferien nur vorübergehend entflohen waren.
    Letzten Endes lief es darauf hinaus, dass wir Trudie kaum eine halbe Stunde kannten, ehe sie beiläufig vorschlug, »per Anhalter« bei uns mitzufahren. Eine Alarmglocke begann in meinem Kopf zu schrillen, schwach, aber
beharrlich. Ich unterdrückte sie. Was konnte es schon schaden, diesem Mädchen einen Lift zu geben (obwohl eine demonstrative Geste der Zuneigung zwischen mir und Danny unumgänglich war, um jegliches Missverständnis von vornherein zu vermeiden). Gleichwohl blieb der Zweifel bestehen  –  wir kannten sie nicht, und sie kannte uns nicht. Meine argwöhnische Mutter hatte mir eingebläut, niemals bei Fremden mitzufahren, geschweige denn, Fremde um einen Lift zu bitten. Umso mehr Grund, es zu tun, sagte eine Stimme in meinem Kopf. Du bist doch kein Kind mehr, oder?
    Simon bot an, für uns alle Eiscreme zu holen. Er sprach es Icescream aus. Das ist Birmingham-Slang. Trudie war begeistert. Natürlich redete Simon nicht in diesem Slang: Seine Ausdrucksweise war vielmehr geschliffen genug, um als »Snob« verspottet zu werden, aber wir sagten immer Icescream   –  es war ein Insider-Gag.
    Danny sagte, er wolle Schokomint, und ich bat um Tuttifrutti. In jenen Prä-Magnum-Tagen, als das Angebot an Eiscreme kaum über Vanille und Erdbeere hinausging, war Tuttifrutti noch immer ein wenig exotisch.
    »Ooh  –  ich finde es süß, wie du das sagst«, rief Trudie aus. »Tuttifrutti  –  los, sag es noch einmal.«
    Der Witz ging eindeutig auf meine Kosten, und ich fand es gar nicht komisch, wie sie meinen Midland-Akzent nachäffte. »Er weiß, was ich meine«, erwiderte ich und versuchte mit einem Lächeln meine Verärgerung zu überspielen.
    »Komm schon, Katy«, stimmte Danny mit ein. »Sag Tuttifrutti für uns.«
    »Tüttüfrüttü«, sagte ich übertrieben affektiert. »Warte, Si, ich helfe dir tragen.«

    Simon und ich standen auf und stapften durch den weichen Sand am oberen Teil des Strandes. Barfuß durch den Sand zu gehen wie Trudie war zweifellos am klügsten, und nach wenigen Schritten zog ich meine Badeschlappen aus und kam sofort besser voran.
    Wir stellten uns an der kurzen Schlange vor dem Eisstand an.
    »Meinst du wirklich, wir sollten Trudie einen Lift geben?« , fragte ich. »Wir wissen doch gar nichts über sie. Wir wissen nicht
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