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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt
Autoren: Diane Janes
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dass er sich, auf einem Knie kauernd, über Danny beugte.
    »Hierher!«, rief er. »Er lebt noch. Bleiben Sie bei ihm, während ich zur Telefonzelle fahre und einen Rettungswagen anfordere.«
    »Nein!« Ich schrie das Wort beinahe heraus.
    Ich wich auf die Türstufe zurück. Wahrscheinlich dachte er, ich hätte zu viel Angst, um in der Nähe einer
Leiche auszuharren. Er zögerte nur einen winzigen Moment, ehe er nachgab. »Natürlich«, sagte er. »Sie müssen nicht allein hierbleiben. Fahren Sie einfach mit mir mit.«
    Er führte mich um seinen Wagen herum und hielt mir die Beifahrertür auf. »Schnell, steigen Sie ein, Katy«, sagte er. Er musste selbst unter Schock stehen, nahm aber an, mein Schock sei noch größer. Er setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. »Für Simon ist es zu spät«, sagte er finster, »aber vielleicht können wir Danny noch retten. Das ist doch Danny, nicht wahr?«
    »Ja«, flüsterte ich.
    Während wir durch die Straßen jagten, hielt ich mich mit beiden Händen am Rand des Ledersitzes fest. Wir benötigten nur etwa zwei Minuten bis zur Telefonzelle, eine jener einsamen Zellen, die mitten im Nirgendwo an einer Kreuzung stehen  –  kaum benutzt, außer hin und wieder von einem Autofahrer, der eine Panne hatte. Während der Mann telefonierte, versuchte ich, die Situation einzuschätzen. Bisher war für Erklärungen noch keine Zeit gewesen, aber ich würde eine benötigen, und zwar eher früher als später. Die Lüge, die sich am leichtesten aufrechterhalten lässt, ist immer die simpelste. Ich würde sagen, ich sei am gestrigen Abend früh zu Bett gegangen, während Simon und Danny unten in der Küche blieben. Vor lauter Müdigkeit sei ich tatsächlich vollständig angekleidet auf dem Bett eingeschlafen  –  anders ließe sich mein ramponiertes Erscheinungsbild nicht erklären  –  und erst bei der Ankunft des Mannes aufgewacht.
    In diesem Moment dämmerte mir, dass es sich bei dem Mann um Simons Onkel handeln musste. Wie sonst hätte er Hausschlüssel haben und unsere Namen kennen
können? Folglich musste heute der Neunte sein  –  der Tag, an dem Simons Onkel Arthur, wie er uns in dem Brief angekündigt hatte, zurückkommen wollte. Ich zwang mich, wieder zu wichtigeren Dingen überzugehen. Danny war noch am Leben. Er würde alles erzählen  –  nun, wenigstens alles darüber, warum er halb tot auf dem Küchenboden gelegen hatte. Ich könnte versuchen, es abzustreiten, aber meine Fingerabdrücke waren überall. Und ich würde mir auch keinen Gefallen tun, wenn ich der Polizei im Nachhinein erzählte, was ich über Trudie Finch und Rachel Hewitt wusste. Danny würde vermutlich irgendeine schlaue Ausrede finden, irgendeine Geschichte, die darauf abzielte, dass Simon und ich die alleinige Verantwortung für alles trugen.
    »Der Rettungswagen ist unterwegs«, verkündete Simons Onkel, als er sich wieder ans Steuer setzte.
    Stumm saß ich neben ihm, gab während der gesamten Rückfahrt (die nur unwesentlich langsamer als die Hinfahrt verlief) keinen Mucks von mir. Er schien meinem Schweigen zu entnehmen, dass ich nicht ins Haus zurückkehren wollte.
    »Möchten Sie gern hierbleiben?«, fragte er, als er vor der Haustür anhielt.
    Ich nickte, und so ging er allein ins Haus. Reglos saß ich da und betrachtete das Armaturenbrett. Es war mit poliertem Holz verkleidet, mit einer Reihe kleiner schwarzer, mit Chrom eingefasster Knöpfe. Ich prägte es mir ein wie ein Diagramm, das ich für einen Mathetest benötigte. Das schien im Moment wichtiger zu sein, als mir darüber Gedanken zu machen, was meine Eltern sagen würden, wenn man mich wegen Mordes verhaftete.

    Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis der Rettungswagen mit heulender Sirene eintraf und bei der Einfahrt durch das Tor an den Lilien und Rhododendren vorbeischrammte. Die Rettungsmannschaft blickte kurz in meine Richtung, doch Simons Onkel winkte die Leute von der Haustür aus zu sich, und so ließen sie mich allein. Nach einer Weile trugen sie die erste Bahre heraus. Ich wandte den Blick bewusst ab. Ich hörte, wie die Türen des Rettungswagens geschlossen wurden und das Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit davonraste.
    Simons Onkel kam heraus und stellte sich neben den Wagen. »Sie schicken noch einen Wagen für Simon«, sagte er. »Und auch einen für Sie. Ich habe ihnen erzählt, dass Sie unter Schock stehen.«
    Nach einem kurzen Schweigen fragte ich kläglich: »Lebt Danny noch?«
    »Ja. Keine Bange.
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