Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen
Autoren: Laura Lippman
Vom Netzwerk:
da.«
    The wheels on the bus went round and round.
     
    Und dann kam Heather und durchkreuzte alle Pläne, indem sie Sunny nicht nur in die Mall, sondern auch noch in Chinatown hinterherlief, wo Sunny ein Rendezvous – sein Ausdruck – mit Tony hatte. Nachdem sie rausgeworfen worden waren, war Sunny davongerannt, ohne zu wissen, was sie tun sollte. Wie sollte sie Tony jetzt finden? Sie ging zum Harmony Hut. Musik war schließlich ihr gemeinsamer Nenner, das, was sie zusammengeführt hatte. Nach einiger Zeit fand er sie dort auch, aber er war wütend und irgendwie völlig daneben, als
ob der verbockte Plan allein ihre Schuld gewesen wäre. Dann hatte Heather sie gesehen, hatte Sunny bei Harmony Hut entdeckt, direkt neben den Who-Platten, Hand in Hand mit einem Mann. Heather machte einen Aufstand, behauptete, derselbe Kerl habe sie beim Orgelladen angesprochen, dass er ein widerlicher Typ sei. Sie sagte, sie würde alles weitererzählen. Sie mussten sie doch mitnehmen, oder? Wenn sie Heather alleine ließen, sagte Sunny zu Tony, würde sie sofort alles vor ihren Eltern ausposaunen, und das würde alles kaputt machen. Sie versprachen Heather Süßigkeiten und Geld, sagten ihr, sie könne nach der Hochzeit wieder nach Hause gehen, Blumen streuen, Trauzeugin sein. Das Blumenstreuen hatte sie anscheinend überzeugt. Aber draußen auf dem Parkplatz beschloss Heather plötzlich, dass sie lieber doch nicht mitkäme, und Tony packte sie ein bisschen fester an und schubste sie in den Wagen. Bei dem Handgemenge verlor sie ihre Tasche, aber Tony weigerte sich, deshalb umzukehren, und sie jammerte und heulte die ganze Fahrt über wegen der blöden Tasche. »Ich habe meine Handtasche verloren mit meinem Bonne Belle. Und meinem Kamm, dem Souvenir von Rehoboth Beach. Meine Tasche ist weg.«
    In Elkton gab es dann allerdings gar keine Hochzeit. Das Rathaus hatte geschlossen, deshalb bekamen sie keine Heiratsgenehmigung. Tony tat überrascht und brachte sie in ein Motel in Aberdeen, wo er im Voraus ein Zimmer gebucht hatte. Warum rief er beim Motel an und reservierte ein Zimmer, erkundigte sich aber nicht nach den Öffnungszeiten im Rathaus? Sunny wurde ganz flau im Magen, ganz anders als die kleinen Hüpfer, die sie beim Küssen verspürt hatte. Im Zimmer mit Heather und Tony, wo Tony schmollte, weil er nicht mit Sunny allein sein konnte, und Heather immer noch über ihre verlorene Tasche weinte, hatte sich Sunny gefangen, verwirrt gefühlt. Sie war sich nicht sicher, ob sie auf Heather sauer war, weil sie ihre Flitterwochen durchkreuzt hatte, oder ob sie heimlich erleichtert
war. Das Ganze stellte sich allmählich als dumme Idee heraus. Sie wollte später mal aufs College gehen, um die Welt reisen, wie einst ihr Vater, nur mit einem Rucksack. Sie bot an, für alle Abendessen in dem Diner gegenüber zu kaufen. Sie beschloss, nichts davon zu erwähnen, dass sie dazu Heathers Geld hernahm.
    Der Diner hieß New Ideal und war von der altmodischen Sorte, wo sie alles noch selbst machten, was ihr Vater immer besonders schätzte. Die Burger brauchten viel länger, aber sie waren das Warten wert. In der Tat waren Diner der einzige Ort, an dem ihr Vater jemals Burger aß. Selbst Gesundheitsapostel brauchten dann und wann mal was anderes. Heute Morgen hatte er die Pfannkuchen mit Schokostreuseln gemacht, und sie hatte ihren nicht aufgegessen. Jetzt wünschte sie, sie hätte. Sie wünschte, es hätte noch einmal heute Morgen sein können, doch es ging nicht. Aber sie konnte immer noch nach Hause gehen. Sie würde Tony bitten, sie nach Hause zu fahren, sich irgendetwas ausdenken und Heather davon überzeugen, dass sie ihr nicht in den Rücken fiel, sie mit ihrem eigenen Geld bestechen.
    Als sie die Cheeseburger bezahlte, ahnte sie noch nicht, dass ihr Leben aufgehört hatte, während sie im New-Ideal-Diner auf das Essen gewartet hatte.
     
    Als Sunny das Zimmer betrat, lag Heather auf dem Rücken und bewegte sich nicht. Ein Unfall, sagte Tony. Sie ist auf dem Bett auf und ab gesprungen und machte einen fürchterlichen Lärm. Ich habe ihr gesagt, sie solle aufhören, hab versucht, sie am Arm zu packen, und dann ist sie hingeknallt .
    »Wir müssen einen Arzt rufen, sie ins Krankenhaus bringen. Vielleicht ist sie ja gar nicht tot.« Hoffnungslose Worte, gesprochen über einer eindeutig leblosen Heather, ihr Hinterkopf eingedrückt wie der eines Kürbisses einen Tag nach Halloween, das Blut war in ein Handtuch unter ihren einst blonden
Haaren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher