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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah
Autoren: Malcolm Gladwell
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damals an der Entwicklung einer Paniermaschine gearbeitet, die bis zu 5 Kilogramm Hühnerflügel, Krabben oder Fischfilet panieren und die Panade aus Eiern und Paniermehl selbst herstellen sollte, ohne dass sich der Koch die Hände schmutzig machen musste. »Alan war gerade in Korea, wo wir damals ein paar große Bestellungen hatten«, erinnert sich Ron. Wir haben uns in der VIP- Lounge des Beverly Hills Hotels zum Mittagessen verabredet, und er isst einen halb durchgebratenen Hamburger mit Pommes. »Ich habe Alan sofort angerufen. Ich habe ihn aufgeweckt. In Korea war es zwei Uhr nachts. Und ich habe zu ihm gesagt: ›Stopp. Lass die Paniermaschine liegen. Mit der machen wir später weiter. Das andere Projekt hat Vorrang.‹« Dieses andere Projekt sollte ein Gerät sein, mit dem man in der heimischen Küche Fleisch räuchern konnte, ohne dabei das ganze Haus und die Möbel gleich mit einzuräuchern. Ron hatte einen Prototypen des Räucherofens auf seiner Terrasse stehen, an dem er im Vorjahr gebastelt hatte. Spaßeshalber hatte er ein Hähnchen darin gegrillt. »Das Hähnchen war so lecker« - er schlägt mit der linken Hand auf den Tisch - »das war das beste Hähnchen-Sandwich, das ich je gegessen habe.« Er sieht mich an und fragt mich: »Wie oft essen Sie ein Sandwich mit geräuchertem Truthahn? Alle sechs Monate? Und wie oft essen Sie Räucherlachs? Vielleicht ein bisschen häufiger. Ich würde schätzen, Sie essen vielleicht alle drei Monate Räucherlachs, als Vorspeise oder auf einer Party. Kalbsrippchen? Kommt darauf an, wo Sie essen gehen. Räucherwurst genauso. Sie essen gern Geräuchertes,« - er lehnte sich vor und legte mir zur Betonung die Hand auf den Arm - »aber eines weiß ich ganz sicher, Malcolm. Sie haben keinen eigenen Räucherofen.«
    Genauso war ihm die Idee für den Showtime Grillofen gekommen. Als Ron vier Jahre zuvor bei Costco zum Einkaufen ging, war ihm plötzlich aufgefallen, dass vor dem Hähnchengrill des Supermarkts eine lange Schlange stand. Diese Leute aßen gern Grillhähnchen, aber Ron war sich ganz sicher: Sie hatten keinen eigenen Grillofen. Wieder Zuhause, rief er Backus an. Sie kauften ein Aquarium, einen Motor, ein Heizelement, einen Spieß und eine Handvoll anderer Teile und begannen zu basteln. Ron wollte ein Gerät, das groß genug war, um einen 15 Pfund schweren Truthahn zu grillen, und klein genug, um es in einer normalen Einbauküche unter den Hängeschränken auf die Arbeitsplatte stellen zu können. Er wollte kein Thermostat, denn ein Thermostat geht nur kaputt, und das dauernde Ein und Aus der Heizspirale verhindert diese gleichmäßige, knusprige Bräune, die für ihn entscheidend war. Der Spieß musste sich um eine horizontale Achse drehen, denn wenn ein Huhn oder ein Stück Fleisch beim Grillen vertikal rotiert, läuft unten der Saft heraus.
    Roderick Dorman, Rons Patentanwalt, erinnert sich, bei seinen Besuchen in Coldwater Canyon hätten oft fünf oder sechs Prototypen nebeneinander in der Küche gestanden. In jedem grillte Ron ein Hähnchen, um die Zartheit des Fleischs und die Bräune der Haut vergleichen zu können. Dabei spekulierte er beispielsweise, wie man einen Kebab-Grillspieß vor dem Heizelement so drehen könnte, dass er von allen Seite gleichmäßig braun würde. Schließlich meldete er für den Showtime Grillofen nicht weniger als zwölf Patente an. Der Grill hatte den stärksten Motor für ein Gerät dieser Art. Das Bodenblech war mit nichthaftendem Emaille beschichtet und einfach zu reinigen. Der Ofen war so robust, dass er zehn Mal hintereinander aus einem Meter Höhe auf einen Beton- oder Steinfußboden fallen konnte und immer noch funktionierte. Und für Ron gab es keinen Zweifel, dass er die besten Grillhähnchen machte, die er je gegessen hatte.
    Danach nahm Ron einen 28-minütigen Werbefilm für den Showtime Grillofen auf. Der Spot wurde live vor einem Studiopublikum gefilmt und am 8. August 1998 zum ersten Mal ausgestrahlt. Seither wird er im Nachtprogramm oder auf obskuren Kabelkanälen ausgestrahlt, zwischen zweifelhaften Finanztipps und Wiederholungen von Herzbube mit zwei Damen . Die Reaktion war überwältigend, in den ersten drei Jahren erzielte der Showtime Grillofen einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar. Ron Popeil verwendete nicht eine einzige Fokusgruppe. Er beschäftigte keine Marktforscher, keine Entwicklungsteams, keine Marketingabteilung, keine Werbeagenturen und keine Unternehmensberater. Er tat nur, was die
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