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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah
Autoren: Malcolm Gladwell
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Verkauf des Chop-O-Matic und des Dial-O-Matic verdiente Ron mehr als der Manager des Kaufhauses. Er aß im Pump Room, trug eine Rolex und übernachtete in Hotelsuiten für 150 Dollar die Nacht. Fotos aus jener Zeit zeigen einen attraktiven jungen Mann mit dichtem, schwarzem Haar, blaugrünen Augen und sinnlichen Lippen. Als er einige Jahre später sein Büro in die Michigan Avenue 919 verlegte, nannte man ihn den Paul Newman des Playboy Building. Mel Korey, ein Studienfreund und sein erster Geschäftspartner, erinnert sich an die Zeit, als er Ron vor dem Woolworth an der State Street besuchte: »Er hatte eine hypnotische Ausstrahlung. Einige Sekretärinnen haben ihre Mittagspausen vor dem Woolworth verbracht, um ihm zuzuschauen, so gut hat er ausgesehen. Und wenn es ans Kaufen gegangen ist, kamen die Leute von allen Seiten angerannt.«
    Als Rons Freund Steve Wynn vor einigen Jahren den Finanzbetrüger Michael Milken im Gefängnis besuchte, stand im Raum ein Fernseher. Zufällig lief gerade eine von Rons Werbesendungen. Ron war beim Countdown, einer Nummer, die er direkt von der Straße übernommen hatte: »Und es kostet Sie nicht zweihundert Dollar, nicht hundertachtzig, nicht hundertsiebzig, nicht hundertsechzig ... « Es ist ein typischer Verkaufstrick: Es klingt so dramatisch, weil der Einstiegspreis viel zu hoch angesetzt ist. Doch Ron hatte zudem eine unwiderstehliche Art. Als er immer weiter mit dem Preis nach unten ging, riefen Wynn und Milken, die vermutlich mehr über Gewinnspannen wissen als irgendjemand sonst in den Vereinigten Staaten, einstimmig: »Hör auf, Ron! Hör auf!«
    War Ron der Beste? Der einzige Versuch, diese Frage zu klären, wurde vor gut vierzig Jahren unternommen, als Ron und Arnold auf einer Verbrauchermesse in West Springfield, Massachusetts, ein Messerset verkauften. Mit von der Partie war Frosty Wishon, selbst eine Legende. »Frosty war ein adretter, eloquenter Mann und ein ordentlicher Verkäufer«, erzählt Ron. »Aber er meinte, er wäre der Größte. Also habe ich gesagt: ›Wir haben zehn Tage mit je elf oder zwölf Stunden. Jeder übernimmt eine Schicht, und am Ende schauen wir, wie viel jeder verkauft hat.‹« Der Wettstreit ging als »das Duell« in die Familiengeschichte ein, und niemand hat das Ergebnis vergessen. Ron schlug Arnold um Haaresbreite und nahm ein paar Hundert Dollar mehr ein. Doch Frosty Wishon verkaufte nur etwa halb so viel wie jeder seiner beiden Rivalen. »Sie können sich nicht vorstellen, wie Frosty geschwitzt hat. Nach der Messe ist er zu mir gekommen und hat zu mir gesagt: ›Ron, ich arbeite nie wieder mit dir, so lange ich lebe.‹«
    Frosty Wishon war zweifelsohne ein charmanter und überzeugender Mensch, doch er nahm an, das reiche schon aus. Er verwechselte den Verkauf mit der Empfehlung eines Prominenten. Wenn Michael Jordan Hamburger von McDonald’s verkauft, dann ist Michael Jordan der Star. Aber wenn Ron Popeil oder Arnold Morris verkaufen, dann schaffen sie es, den Chop-O-Matic zum Star zu machen. Dieser war schließlich die Erfindung. Er bot eine neue Methode, Zwiebeln und Leber zu hacken und verlangte von den Zuschauern, darüber nachzudenken, wie sie bestimmte Arbeiten in der Küche verrichteten.
    Wie die meisten großen Erfindungen stellte er einen Bruch mit dem Bestehenden dar. Aber wie bringt man Menschen dazu, mit dem Vertrauten zu brechen? Weder durch Einschmeichelung und Ehrlichkeit, noch durch Ruhm und Schönheit. Sie müssen den Kunden das neue Produkt erklären, nicht ein- oder zweimal, sondern drei- oder viermal, und jedes Mal mit einem etwas anderen Dreh. Sie müssen demonstrieren, wie es funktioniert und warum es funktioniert, Sie müssen Ihren Zuschauern die Möglichkeit geben, Ihnen genau auf die Finger zu sehen, während Sie Leber hacken, Sie müssen Ihnen erklären, wie es in ihren Alltag passt, und Sie müssen ihnen schließlich die widersprüchliche Tatsache klar machen, dass das Gerät zwar revolutionär, aber kinderleicht zu bedienen ist.
    Als der Videorekorder vor dreißig Jahren auf den Markt kam, stellte auch er einen Bruch mit dem Bestehenden dar. Mit seiner Hilfe konnte man Fernsehsendungen aufzeichnen und war daher nicht mehr an die Sendezeiten gebunden. Der Videorekorder fand zwar weite Verbreitung, aber er wurde selten zu diesem Zweck benutzt. Das lag daran, dass der Videorekorder nie von Straßenhändlern verkauft wurde. Niemand erklärte den Verbrauchern das Gerät - nicht ein- oder zweimal, sondern drei-
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