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Was der Hund sah

Was der Hund sah

Titel: Was der Hund sah
Autoren: Malcolm Gladwell
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Sie je gesehen haben!«, beginnt er. Phyllis, die neben ihm sitzt, strahlt stolz. Anstelle des Geräts hält er eine Tüte mit Grillgewürzen hoch, die Ron Popeil zu seinem Showtime Grillofen verkauft. »Sehen Sie sich das an!« Er streckt sie in die Höhe, als handele es sich um eine Vase von Tiffany. Er erklärt, wie perfekt das Gerät Kartoffeln schneidet, dann Zwiebeln, und schließlich Tomaten. Seine volle Stimme klingt, als würde er singen: »Wer kann eine Tomate so schneiden? Sie pieksen sie an, Sie bohren rein, der Saft läuft Ihnen den Arm runter. Mit dem Dial-O-Matic wird alles anders. Sie legen die Tomate in das Gerät und drehen ein bisschen.« Er imitiert die Bewegung auf dem Schreibtisch. »Die Tomate! Meine Dame! Die Tomate! Je mehr Sie drehen, desto mehr bekommen Sie. Die Tomate! Meine Dame! Jede Scheibe ist perfekt, jedes Kernchen ist an seinem Platz. Aber am besten ist der Dial-O-Matic für Krautsalat. Meine Schwiegermutter hat ihren Krautsalat immer so gemacht«. Mit wilden Bewegungen hackt er auf einem imaginären Kohlkopf herum. »Ich dachte, sie wollte Selbstmord begehen. Was habe ich gebetet - dass sie nicht abrutscht! Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meine Schwiegermutter! Aber ihre Tochter ist mir ein Rätsel. Sie nehmen den Kohlkopf. Schneiden ihn in der Mitte durch. Krautsalat, Sauerkraut, Weißkraut, Blaukraut. Alles kommt in feinen Streifchen heraus ...«
    Es ist ein Bühnenmonolog, wie fürs Kabarett, mit dem Unterschied, dass Arnold nicht nur unterhalten will. Er verkauft. »Aus einem Straßenhändler können Sie einen guten Schauspieler machen, aber aus einem Schauspieler können Sie noch lange keinen guten Straßenhändler machen«, erklärt er. Der Verkäufer muss es schaffen, dass Sie ihm applaudieren und den Geldbeutel zücken. Im entscheidenden Moment muss er die Kurve kriegen und vom Unterhalter zum Unternehmer werden. Wenn von fünfzig Zuschauern fünfundzwanzig kaufen wollen, dann verkauft der wahre Straßenhändler nur an zwanzig. Den übrigen fünf sagt er: »Warten Sie! Ich muss Ihnen noch etwas anderes zeigen!« Und dann beginnt er seinen Monolog mit kleinen Variationen wieder von vorn. Die verbleibenden fünf Kunden sind der Kern seiner neuen Zuschauergruppe, sie werden von den Menschen um sie herum eingekeilt und sind derart darauf erpicht, zu bezahlen und sich wieder auf den Weg zu machen, dass sie eine neue Verkaufswelle anstoßen.
    Die Kurve zu kriegen bedeutet, die Erwartungen des Publikums gezielt zu lenken. Deshalb stellte Arnold immer eine verlockende Ananas auf seinen Stand. »Vierzig Jahre lang habe ich den Leuten versprochen, ich würde ihnen zeigen, wie man eine Ananas aufschneidet, aber ich habe sie nicht ein einziges Mal angerührt«, erzählt er. »Das ging so weit, dass sich ein Freund von mir, auch ein Verkäufer, eine Plastikananas gekauft hat. Warum sollte man die Ananas aufschneiden? Die ist teuer. Und wenn Sie sie aufgeschnitten haben, gehen alle.« Arnold berichtet, wie er einmal ein paar Jungen anheuerte, um auf dem Jahrmarkt von Danbury in Connecticut einen Gemüsehobel für ihn zu verkaufen. Ihre gelangweilte Darbietung habe ihn derart geärgert, dass er die Vorführung selbst übernahm. Voller Schadenfreude hätten sie nur darauf gewartet, dass er sich mit dem Gerät blamierte: Er hatte diesen speziellen Hobel noch nie vorgeführt, und wie zu erwarten zerfetzte er das Gemüse. Trotzdem nahm er in einer einzigen Runde 200 Dollar ein. »Denen sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen«, erinnert sich Arnold. »Sie haben zu mir gesagt: ›Wie machst du das? Du weißt doch nicht mal, wie man das Gerät bedient!‹ Und ich habe denen geantwortet: ›Dafür weiß ich was anderes. Ich weiß, wie man am Ende kassiert. ‹ Und das ist das ganze Geheimnis!«
4
    Ron Popeil begann Mitte der fünfziger Jahre, die Küchengeräte seines Vaters auf einem Flohmarkt in Chicago zu verkaufen. Er war damals dreizehn. Jeden Morgen um fünf kam er auf den Markt und bereitete fünfzig Pfund Zwiebeln, Kohlköpfe und Karotten und hundert Pfund Kartoffeln vor. Er verkaufte von sechs Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags und nahm bis zu 500 Dollar am Tag ein. Einige Jahre später reiste er über die Jahrmärkte der Gegend und eroberte sich schließlich einen erstklassigen Platz in der Chicagoer Innenstadt, neben dem Woolworth an der Ecke State und Washington Street. Das war seinerzeit die Woolworth-Filiale, die landesweit den größten Umsatz erzielte. Mit dem
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