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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt
Autoren: Paula Fox
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anklagend.
    «Weil ich am Telefon nie etwas höre, was ich noch hören möchte.»
    Sie standen beide steif da, und jeder sammelte halbbewußt Material gegen den anderen, Beschuldigungen, die als Gegengewicht zu der Verzweiflung galten, die keiner von ihnen ermessen konnte. Dann fragte er sie direkt, warum sie so wütend war. Sie sagte, sie sei überhaupt nicht wütend; es sei nur so ärgerlich, daß er sich über das Telefon ausließ, so dumm herumstand, als es läutete, und sie dann zwang, es selbst abzuheben.
    «Gehen wir schlafen», sagte er müde.
    Sie warf ihm einen ironischen Blick zu, den er ignorierte. Sie fragte sich ernsthaft, was geschehen würde, wenn sie ihm sagte, daß der Anruf, dieses unheimlicheAtmen, ihr Angst gemacht hatte. Er hätte gesagt: «Sei nicht albern!» folgerte sie. «Hör auf, mir zu sagen, ich sei albern», wollte sie schreien.
    Er hängte seinen Anzug auf. Sie beobachtete, wie er die Hose glattstrich. «Du solltest die Unterwäsche, die du trägst, wegwerfen», sagte sie. «Sie löst sich bald in ihre Bestandteile auf.»
    «Ich mag es, wenn sie durch langes Tragen so weich wird.»
    Er klang etwas verzagt. Es stimmte sie milder gegen ihn. Es lag irgend etwas Komisches in den privaten kleinen Vorlieben und Genüssen der Leute, etwas Geheimnisvolles, etwas Kindisches und Dummes. Sie lachte ihn und seine weiche alte Unterwäsche an. Er sah an sich hinunter, dann blickte er, während er die Shorts abstreifte, sie an. Seine Miene war selbstzufrieden. Soll er mit sich zufrieden sein, dachte sie. Wenigstens hatten sie einen sinnlosen Streit vermieden. Sie fragte sich, ob Tanya jemals versucht hatte, Otto zu verführen. Dann erinnerte sie sich an Tanyas einzigen Besuch in Flynders. Otto war schockiert gewesen, wirklich moralisch entrüstet, als er zufällig festgestellt hatte, daß Tanya jede Schublade einer riesigen Kommode für die paar Gegenstände benutzt hatte, die sie für das Wochenende mitgebracht hatte. «Mein Gott! In einer Schublade hat sie ein Kopftuch, in einer anderen ein Paar Strümpfe, in wieder einer anderen einen Gürtel. Was ist das bloß für eine Frau, die sämtliche Schubladen in der Kommode benutzt, nur weil sie nun einmal da sind?» hatte er Sophie empört gefragt.
    «Tanya
ist
ziemlich schrecklich», sagte Sophie, als Otto neben ihr ins Bett stieg. «Ich wette, sie ist schrecklich im Bett. Ich wette, sie kann kaum lang genug den Blick von sich abwenden, um nachzusehen, mit wem sie im Bett ist.»
    «Leg dich schlafen», bat er. «Du weckst mich sonst noch auf.»
    Sie fügte sich klaglos. Sie war ihm jetzt nicht mehr böse, und es schien egal zu sein, warum sie es gewesen war. Sie untersuchte ihre Hand und beschloß, sie ins Wasser zu legen. Sie tat wirklich weh.
    Als Sophie aufwachte, war es drei Uhr morgens. Ihre Hand, unter ihr zusammengekrümmt, war wie ein fremder Gegenstand, der sich irgendwie an ihren Körper geheftet hatte, etwas, was sich an sie geklammert hatte. Sie lag einen Augenblick da, dachte an die Katze, wie überrascht sie gewesen war, sie wiederzusehen, als sie und Otto nach Hause gekommen waren. Sie sah so gewöhnlich aus, nur eine streunende Stadtkatze. Was hatte sie erwartet? Daß sie wegen der Attacke auf sie verstört sein würde? Daß sie beabsichtigte, die Tür einzuschlagen, sich den Weg ins Haus freizukämpfen und sie dann beide aufzufressen? Sie stand auf und ging ins Badezimmer. Die Schwellung, die zuvor durch langes Einweichen in heißes Wasser zurückgegangen war, war wieder da. Sie füllte das Becken und tauchte ihre Hand hinein. Dann sah sie ihr Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken an – sie wollte nicht sehen, was sie tat – und begann, die Finger der anderen Hand gegen die geschwollene Stelle zu pressen. Als sie hinunterblickte, war das Wasser trüb. Sie ließ ihre Finger spielen und machte dann eine Faust.
    Als sie wieder ins Bett ging, warf sie sich beinahe gegen Ottos Rücken. Er stöhnte.
    «Meiner Hand geht es schlechter», flüsterte sie. Er setzte sich sofort auf.
    «Wir werden gleich morgen früh Noel anrufen», sagte er. «Notfalls fahren wir hinauf nach Pelham und schleppen ihn in seine Praxis. Du mußt das untersuchen lassen.»
    «Wenn es nicht besser wird.»
    «Auf jeden Fall.» Otto fiel in die Kissen zurück. «Wieviel Uhr ist es?» Gelegentlich hatte er das Gefühl, daß er nicht die ganze Nacht durchschlafen könne, weil er verheiratet war. Sophie schien an nächtlichen Unterhaltungen besonderen Spaß zu
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