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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition)
Autoren: Luanne Rice
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der Scheune, krachte zu Boden, und es klang wie Glockengeläut. Die Glocken wurden lauter und Thunder bellte.
    »Gefängnisse sehen nicht alle gleich aus«, sagte Natalie abermals, mit Nachdruck. Sie weinte, aber ihre Miene war voller Liebe und Glück. Als sie Martin küsste, sah er Tränen auf seinem Kinn glänzen, und er erinnerte sich an den Sommerabend, als Kylie Glimmerspuren auf seinen Wangen hinterlassen hatte.
    »Mein Liebes.«
    »Geh zu deinem Vater«, sagte Natalie.
    Martin fühlte, dass er nickte und sich mit etwas einverstanden erklärte, was er nicht ganz begriff. Sie umarmten sich ein letztes Mal. Sein Herz klopfte und obwohl er den Wunsch verspürte, sie nie mehr loszulassen, wusste er, dass es der einzige Weg für sie war, jemals frei zu sein.
    »Ich liebe dich, Daddy, auf immer und ewig. Und sag Kylie danke.«
    »Nat …«
    »Für alles. Für alles!«
    »Natalie …«, flüsterte er.
    Aber sie war verschwunden. Die geheimnisvollen Eisglocken läuteten noch immer und das erste Licht des Weihnachtsmorgens erhellte den Himmel. Er war dunkelgrau, aber als Martin genauer hinsah, verwandelte er sich in Silber. Der Stern stand über den Hügeln und Thunder bellte, bis er heiser war.
    Immer noch klar sehend, kehrte Martin ins Haus zurück. Er wünschte sich, Natalie würde drinnen auf ihn warten. Er sah sich suchend im Raum um, und sein Blick fiel auf das alte Stickbild, das seine Mutter vor seiner Geburt gemacht hatte.
    Sie hatte es für Martin gemacht, als ihr Mann noch an ihrer Seite war. Martin betrachtete die Tiere, die einträchtig in der Krippe beieinander lagen, und las: »Der Wolf wird bei dem Lamm weilen und der Leopard wird bei dem Böckchen lagern … und ein kleines Kind wird sie führen.«
    Martin war dieses Kind gewesen, und danach Natalie, und nun Kylie. Sie hatte die ganze Zeit versucht, ihn zu führen, ihm den Weg zu weisen. Seine Augen füllten sich mit Tränen und er sah sich ein letztes Mal in dem vertrauten Raum um. Er ging zum Fenster, blickte auf den See; ihn wollte er als Letztes sehen, wenn es so weit war.
    Als die Sonne aufging und die Welt hell wurde, versank Martin wieder in Dunkelheit, aber er war bereit.
    Blind ertastete er sich seinen Weg nach oben. Das Treppengeländer wies ihm den Weg, auch wenn er jeden Schritt auswendig kannte. May bewegte sich, als er sich neben sie ins Bett legte. Seine Hände und Füße waren kalt von der Schlittschuhfahrt auf dem See, aber ihr Körper wärmte ihn.
    »Ich liebe dich«, flüsterte er seiner schlafenden Frau zu. »Ich liebe dich.«
    »Und ich liebe dich«, flüsterte sie zurück.
    »Es ist etwas geschehen. Genau wie Kylie sagte.«
    »Was?«, fragte sie schlaftrunken.
    Aber Martin war noch nicht bereit, es ihr zu erzählen. Er spürte sein Herz klopfen, dachte an die Schlittschuhfahrt über den See, mit seiner Tochter. Er musste eine weitere Reise unternehmen, mit seiner Familie. Aber jetzt wollte er sich ausruhen und sich erinnern.
    Und so schliefen sie gemeinsam wieder ein, bis Kylie sie mit einem lauten »Fröhliche Weihnachten« weckte.

29
    E in weiteres Weihnachtsfest war in Estonia vergangen, ohne ein Wort von Martin. Serge hatte die Hoffnung so gut wie aufgegeben, jemals wieder von ihm zu hören. Er lag auf seiner Pritsche, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und starrte auf die nackte Betonwand. Lesen lenkte ihn nicht mehr ab, und er hatte seit Wochen auf sein Krafttraining verzichtet. Wozu sollte er sich auch fit und gesund halten? Seit neuestem ging ihm immer wieder der Gedanke durch den Kopf, es wäre besser zu sterben.
    Beim Hofgang blieb er dem Westtor so weit wie möglich fern. Da der Winter hart war, kam Ricky nur selten. Serge hatte zwiespältige Gefühle, was dieses Thema betraf: Er machte sich Sorgen, wenn der Junge nicht auftauchte, fühlte sich aber besiegt, wenn er auf der Bildfläche erschien. Die Wärter hatten vermutlich Recht: Was für Chancen hatte ein Junge wie er? Was er von seinem Vater auf den Weg mitbekommen hatte, waren Drogen und Gewalt.
    Bisweilen erinnerte sich Serge an seine eigenen Gespräche mit Tino und an den Stolz, den der junge Mann auf seinen Sohn empfunden hatte. Genau wie bei ihm, auch wenn ihm die Erinnerung einen Stich versetzte. Jahrelang hatte er Martin versprochen, ihn nächste Woche zu besuchen, ihn nächsten Monat nach Detroit oder L. A. mitzunehmen oder wo auch immer das nächste Spiel stattfand.
    Er hatte seinen Teamkameraden Martins Foto gezeigt und ihnen von seinem
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