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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition)
Autoren: Luanne Rice
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ein Reh im Scheinwerferlicht«, grinste Ray. »Das kommt davon, wenn man sich nicht schnell genug in Sicherheit bringt. Hast du Lust, mit Genny und mir zu Abend zu essen?«
    »Ich muss Schlaf nachholen. Ich werde alt. Achtunddreißig. Ich sollte langsam darüber nachdenken, mich zur Ruhe zu setzen. Aber dieses Jahr will ich es noch einmal wissen. Es ist an der Zeit, findest du nicht?«
    Ray nickte. Er wusste, wie sehr sich Martin wünschte, den Stanley Cup zu gewinnen. Alle anderen Auszeichnungen waren zweitrangig, solange er die größte Trophäe noch nicht errungen hatte, den Wanderpokal der NHL, der zwei Tage im Besitz der siegreichen Mannschaft blieb und auf dem alle Siegernamen der Spieler eingraviert waren. Martin schüttelte Ray zum Abschied die Hand und steckte die kleine Glasflasche in die Tasche seiner Jeans, bevor er zu seinem Wagen ging.
    In jener Nacht lag er wach und dachte an Natalie, konnte sie nicht aus seinen Gedanken verbannen. Aber immer wieder erschien ihm das Gesicht des kleinen Mädchens aus dem Flugzeug. Ihre klaren Augen, ihr hartnäckiges Flüstern: »Werden Sie uns helfen? Was auch passiert, werden Sie mir und meiner Mutter helfen, wenn das Flugzeug landet?«
    Woher hatte sie es gewusst?
    Als er durch den Rauch gelaufen war, hatte Martin einen inneren Zwang verspürt, der seine Schritte lenkte. Er war an der offenen Tür vorbei in die mit Qualm gefüllte Kabine gerannt, hatte die Hand der Mutter gepackt und das Kind auf seine Arme gehoben. Er hatte nicht lange nachgedacht; es war, als sei ihm gar keine andere Wahl geblieben.
    Eine Viertelstunde hatte er insgesamt mit ihnen zusammen verbracht, nicht länger.
    Trotzdem spukten sie unentwegt in seinem Kopf herum, das Mädchen oder ihre Mutter. Lag es an der Ähnlichkeit des Kindes mit Natalie oder weil sie erraten hatte, dass er eine Tochter gehabt hatte? War es die Schönheit der Mutter? Martin schüttelte mit Nachdruck den Kopf. Er konnte sich nicht erklären, warum seine Gedanken immer wieder um die beiden kreisten.
    Er hielt sich nach Möglichkeit von den Menschen fern, vor allem von Frauen mit Kindern. Die Eishockey-Groupies umschwärmten ihn und er war mit ein paar von ihnen ausgegangen; er war nicht gerade stolz darauf, aber so lagen die Dinge nun einmal. Er hatte keine Lust, sich auf eine längerfristige Beziehung zu netten Frauen mit kleinen Mädchen einzulassen. Das Leben war auch so gefährlich genug, und der einzige Ort, an dem er sich sicher fühlte, war das Eis.
    Aber seit er Ray mit Genny gesehen und es schließlich satt hatte, mit seinen Eintagsfliegen über die immer gleichen Belanglosigkeiten zu reden, hatte er angefangen, über eine Beziehung anderer Art nachzudenken. Eine Beziehung, in der er liebvoll mit einer Frau umging, das Beste für sie wünschte, ihr genug Vertrauen entgegenbrachte, um ihr von seinen Hoffnungen und Träumen zu erzählen. In seiner Fantasie war sie genauso liebevoll und fürsorglich. Sie hielt ihn nachts in den Armen und zeigte ihm, dass er nicht alleine war.
    Er stieß die Bettdecke mit dem Fuß beiseite, rollte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Trotz der zahllosen Frauen, mit denen er sich getroffen hatte und ausgegangen war, all die wunderschönen Models und berühmten Schauspielerinnen, stellte Martin Cartier fest, dass er geradezu besessen war von einer Frau, die er überhaupt nicht kannte. Er konnte ihr Gesicht nicht vergessen, die verhangenen Augen, das strahlende Lächeln, die zerzauste rotbraune Mähne. Er fragte sich, wie weit Black Hall, Connecticut, von Boston entfernt sein mochte. Mit diesem Gedanken schlief er ein.

    *

    Die Scheune stand inmitten eines Obstgartens. Drei Meilen von Trumbull Cove entfernt, eingetaucht in Meereslicht, das Maler seit Hunderten von Jahren in diesen Teil Connecticuts zog, war das Land hell von den breiten Blättern der Kalmien und dunkel vom Granitgestein.
    Vier Autos parkten unter den Apfelbäumen und in der Scheune waren die Braut, ihre Mutter und ihre Brautjungfern in eine lebhafte Diskussion verstrickt, während sie Bilder in den Katalogen betrachteten.
    Mays Großmutter Emily hatte die Scheune zusammen mit ihrem Mann Lorenzo Dunne erbaut, aber Bridal Barn, das kleine Familienunternehmen, das Hochzeiten plante und in diesem anheimelnden Ambiente untergebracht war, hatte sie mit ihrer einzigen Tochter, Mays Mutter Abigail, gegründet und geführt. Ihre Kataloge, Tagebücher und Fotoalben aus eigener Werkstatt füllten die Einbauregale an den
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