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Warum es die Welt nicht gibt

Warum es die Welt nicht gibt

Titel: Warum es die Welt nicht gibt
Autoren: Markus Gabriel
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anzufangen, und das jedes Mal.
    1 Vgl. zu den sozusagen »historischen« Details das bisher leider nur auf Italienisch erschienene Buch Maurizio Ferraris, Manifesto del nuovo realismo , Rom 2012.
    2 Als Einführung in diese Zusammenhänge sei Terry Eagletons Der Sinn des Lebens (Berlin 2008) empfohlen.
    3 Heinrich von Kleist, Sämtliche Briefe , hrsg. von Dieter Heimböckel, Stuttgart 1999, S. 213, Brief vom 22. 03. 1801 an Wilhelmine von Zenge.
    4 Slavoj Žižek, Less Than Nothing. Hegel and the Shadow of Dialectical Materialism , London 2012.
    5 Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus , in: Ders., Werkausgabe , Frankfurt/Main 2006, Bd. 1, S. 9.

I. Was ist das eigentlich, die Welt?
    Fangen wir also wieder von vorne an! Was soll das Ganze? Dies ist die philosophische Grundfrage schlechthin. Eines Tages sind wir zur Welt gekommen, ohne zu wissen, woher noch wohin. Dann haben wir uns durch Erziehung und Gewöhnung in die Welt hineingefunden. Und sobald wir uns einmal an die Welt gewöhnt hatten, vergaßen wir meist zu fragen, was das Ganze soll. Was ist das eigentlich, die Welt?
    In unserem Leben ergeben unsere Begegnungen, unsere Hoffnungen und Wünsche in der Regel Sinn. Ich sitze beispielsweise gerade in einem Zugabteil in Dänemark. Neben mir schreibt jemand eine SMS , der Schaffner geht auf und ab, und hin und wieder höre ich eine Durchsage auf Dänisch. All dies ergibt Sinn: Denn ich reise nach Århus, eine Stadt im Norden Dänemarks, dabei benutze ich einen Zug und erlebe auf der Fahrt, was nun einmal zu einer Zugfahrt gehört. Nun stellen wir uns aber vor, ein außerirdisches Wesen, das sieben Meter zwanzig groß ist und aus einer grünen Flüssigkeit besteht, kommt auf die Erde und steigt in denselben Zug ein. Diesem Wesen erschiene alles wohl sehr merkwürdig, vermutlich sogar völlig unverständlich. Es kriecht durch die engen Gänge meines Abteils und wundert sich über all die neuen Eindrücke (und ganz besonders über die haarigen Tiere, die in den Nischen sitzen und verstört mit den Fingern über einen kleinen Bildschirm wischen).
    Philosophen betrachten die Welt gewissermaßen wie Außerirdische oder wie Kinder. Alles ist immer wieder völlig neu. Sie misstrauen fest verwurzelten Urteilen, ja, sie misstrauen sogar den Wissensansprüchen von Experten. Philosophen glauben zunächst einmal überhaupt nichts. Darin folgen wir dem Vorbild eines großen philosophischen Helden: Sokrates. In seiner berühmten Verteidigungsrede vor einem Athener Gericht hat Sokrates erklärt: »Ich weiß, dass ich nichts weiß.« 6 Daran hat sich zumindest für die Philosophen nichts geändert.
    Dennoch kann man von der Philosophie sehr viel lernen, insbesondere kann man lernen, niemals zu vergessen, dass die Welt ganz anders sein könnte, als sie uns erscheint. Philosophie stellt alles ständig in Frage, auch die Philosophie selbst. Und nur auf diese Weise besteht eine Chance zu verstehen, was das Ganze eigentlich soll. Beschäftigt man sich intensiv mit Philosophie und ihren großen Fragen, dann lernt man, vermeintlich Selbstverständliches zu überprüfen – eine Haltung, die übrigens hinter fast allen großen Errungenschaften der Menschheit steht. Hätte niemals jemand die Frage gestellt, wie wir überhaupt zusammenleben sollten, wäre es auch niemals zur Demokratie und zur Idee freier Gemeinwesen gekommen. Hätte niemals jemand gefragt, wo wir uns eigentlich befinden, wüssten wir noch nicht einmal, dass die Erde rund und der Mond nur ein herumfliegender Stein ist. Für diese Behauptung wurde der griechische Philosoph Anaxagoras noch wegen Gotteslästerung angeklagt. Und Giordano Bruno, der größte italienische Philosoph, wurde als Ketzer verurteilt, weil er der Meinung war, es gebe Außerirdische und das Universum sei unendlich. Dies schien unverträglich mit der christlichen Theologie, die annahm, dass der Mensch und die Erde im Zentrum von Gottes Interesse stünden und Gott das Universum zu einem bestimmten Zeitpunkt erschaffen hat (weswegen es nicht unendlich sein durfte).
    Die Leitfrage dieses Buches ist also die Frage, was das Ganze soll. Haben das menschliche Leben, die menschliche Geschichte und die menschliche Erkenntnis überhaupt einen Sinn? Sind wir nicht einfach nur Tiere auf irgendeinem Planeten, so eine Art kosmische Ameisen oder Schweine im Weltall? Sind wir selbst einfach nur sehr merkwürdige Wesen, die für sehr merkwürdige Außerirdische so beängstigend sind wie für uns die Aliens
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