Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
ergänzte: »Ich arbeite jede Nacht bis ein Uhr.«
    »Was geschieht mit ihnen, wenn Sie sie freigelassen haben?« erkundigte sich Eric. »Treiben sie sich in der Stadt herum?«
    »Das weiß der Teufel«, zuckte Himmel die Achseln. Offensichtlich schien ihn diese Frage nicht allzusehr zu berühren; sobald er die Wägelchen zusammengebaut und die Faulen Braunen Hunde angeschlossen hatte, interessierte ihn die Angelegenheit nicht mehr. Und vielleicht hatte er recht; er konnte schwerlich den Weg eines jeden Fahrzeugs verfolgen und es vor den Gefahren der Stadt beschützen.
    »Sie sind ein Künstler«, stellte Eric fest, und er wußte nicht, ob er amüsiert oder empört war. Zumindest war er nicht beeindruckt; soviel war sicher – die ganze Angelegenheit war bizarr, närrisch, vollkommen absurd. Unablässig arbeitete Himmel, hier in der Firma und zu Hause in seinem Konap, und sorgte dafür, daß die Ausschußproduktion der Fabrik ihren Platz an der Sonne erhielt … und dann? All das geschah, während alle anderen Menschen mit der albernen, größeren, kollektiven Absurdität des Krieges beschäftigt waren.
    Vor diesem Hintergrund wirkte Himmel weniger verrückt. So waren eben die Zeiten. Wahnsinn bestimmte das Leben, vom Maulwurf angefangen bis hinunter zu diesem Qualitätskontrolleur, der im klinischen, psychiatrischen Sinne zweifellos gestört war.
    Während er mit Jonas Ackerman den Korridor entlangging, bemerkte Eric: »Er ist ein Irrer.«
    »Gewiß«, nickte Jonas betroffen. »Aber das läßt den alten Virgil in einem ganz anderen Licht erscheinen, wenn man bedenkt, daß er das toleriert – und bestimmt nicht nur deswegen, weil er Profit dadurch erzielt. Darum geht es nicht. Ich bin wirklich froh. Ich hielt Virgil für hartgesottener; ich hätte erwartet, daß er diesen armen Bekloppten sofort feuern und ihn mit einem Zwangsarbeitertransport zum Lilistern schicken würde. Großer Gott, was wäre das für ein Schicksal! Himmel ist ein Glückspilz.«
    »Was meinen Sie, wie alles enden wird?« fragte Eric. »Glauben Sie, daß der Maulwurf mit den Riegs einen Separatfrieden schließen und den Krieg den Leuten vom Lilistern allein überlassen wird – was sie auch verdient hätten?«
    »Das kann er nicht«, erklärte Jonas leise. »Freneksys Geheimpolizei würde über die Erde herfallen und Hackfleisch aus ihm machen. Ihn aus dem Amt werfen und über Nacht einen militanteren Burschen an seine Stelle setzen. Jemanden, dem es gefällt, den Krieg fortzusetzen.«
    »Aber das dürfen sie nicht«, entfuhr es Eric. »Er ist unser gewählter Führer, nicht ihrer.« Aber er wußte, daß Jonas diesen rechtlichen Einwänden zum Trotz die Wahrheit sprach. Jonas betrachtete den Alliierten lediglich realistischer, hielt sich an die Tatsachen.
    »Das Beste, was uns widerfahren könnte«, sagte Jonas, »wäre eine Niederlage. Eine langsame, unaufhaltsame Niederlage – wie wir sie derzeit erleben.« Er senkte seine Stimme zu einem heiseren Flüstern. »Ich hasse es, defätistisch daherzureden …«
    »Legen Sie sich keinen Zwang an.«
    »Eric«, fuhr Jonas fort, »das ist die einzige Möglichkeit, da herauszukommen, auch wenn uns dadurch ein Jahrhundert Besetzung durch die Riegs als Strafe dafür bevorsteht, daß wir zur falschen Zeit den falschen Alliierten in einem falschen Krieg gewählt haben. Unser erster Kontakt mit dem interplanetaren Militarismus, und wie sehr wir uns darum bemüht haben – wie sehr sich der Maulwurf darum bemüht hat.« Er schnitt eine Grimasse.
    »Und wir haben uns um den Maulwurf bemüht«, erinnerte ihn Eric. Und so war die Verantwortung wieder ihnen zugefallen.
    Vor ihnen erschien eine schmächtige, an ein Blatt erinnernde, vertrocknete und gewichtslose Gestalt und näherte sich ihnen, während sie mit dünner, schriller Stimme rief: »Jonas! Und Sie auch, Sweetscent – es wird Zeit, daß wir uns auf die Reise zum 35er Wash vorbereiten.«
    Virgil Ackermans Tonfall war leicht gereizt, wie der eines Vogelweibchens, das ihre Jungen herumscheuchte; in seinem fortgeschrittenen Alter war Virgil fast zu einem Hermaphroditen geworden, eine geschlechtslose, saftlose Mischung aus einem Mann und einer Frau, die als Einheit dennoch vital war.
     

 
2
     
    Virgil Ackerman öffnete die antiquierte, leere Packung Camel-Zigaretten, preßte sie zusammen und fragte: »Hits, Cracks, Taps oder Pops. Was nehmen Sie, Sweetscent?«
    »Taps«, antwortete Eric.
    Der alte Mann musterte den Aufdruck der Packung. »Cracks. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher