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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr
Autoren: Philip K. Dick
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diesen Ort geschafft hatte.
    Ich frage mich, wie schnell alles gehen wird, dachte Eric. Sie brauchen nur herunterzukommen und die wichtigen Zentren zu erobern und alles zu übernehmen. Vermutlich geht alles schneller, als ich und als alle anderen auf der Erde es sich vorstellen können.
    Er verließ die Gasse, erreichte die Hauptstraße und dachte: Ich wünschte, ich hätte ein Gewehr.
    Seltsam, dachte er, daß ich inmitten des größten Unglücks aller Zeiten, dieses Krieges, etwas Bedeutungsvolles entdeckt habe. Das Verlangen, genauso zu sein wie dieser Faule Braune Hund, der sich zehn Jahre in der Zukunft in dieser Zinkdose versteckt. Meinen Platz in der Welt einzunehmen, zu kämpfen, wie er kämpft: wenn es notwendig ist und vielleicht auch nur, weil es Spaß macht. Aus Vergnügen.
    Auf der Straße war der Verkehr fast völlig zum Stillstand gekommen. Die Menschen in den Fahrzeugen und auf den Bürgersteigen blickten hinauf zu dem Sternenschiff.
    »Taxi!« Er winkte ein Automatentaxi herbei, das flugfähig war. »Bring mich zur Tijuana Fur & Dye«, befahl er. »Flieg’ so schnell du kannst und kümmere dich nicht um dieses Schiff dort oben und die Befehle, die es womöglich über Funk erteilt.«
    Das Taxi erzitterte, erhob sich leicht vom Asphalt und hing bewegungslos in der Luft … »Es ist uns verboten aufzusteigen. Das Oberkommando der Lilistern-Armee hat angeordnet …«
    »Ich habe die Autorität, diesen Befehl zu widerrufen«, erklärte Eric. »Es spielt keine Rolle, was das Oberkommando des Lilisterns sagt; die Sternmenschen sind Dreck im Vergleich zu mir. Ich muß unverzüglich zur Tijuana Fur & Dye – von meiner Anwesenheit dort hängt der Ausgang des Krieges ab.«
    »Ja, Sir«, sagte das Taxi und stieg hinauf in die Luft. »Und es ist mir eine Ehre, Sir – glauben Sie mir, eine außerordentliche Ehre –, Sie an Bord zu haben.«
    »Meine Anwesenheit dort«, fuhr Eric fort, »ist von unvergleichlicher strategischer Wichtigkeit.« In der Zentrale werde ich für den Widerstand arbeiten, sagte er sich. Zusammen mit den Menschen, die ich kenne. Und wenn Virgil Ackerman zum 35er Wash flieht, werde ich ihn begleiten; der Grundstein für die Situation, die sich mir in der ein Jahr entfernten Zukunft dargeboten hat, ist gelegt.
    Und zweifellos, so erkannte er, werde ich in der Tijuana Fur & Dye Corporation auf Kathy treffen.
    Plötzlich wandte er sich an das Taxi. »Wenn deine Frau krank wäre …«
    »Ich habe keine Frau, Sir«, unterbrach das Taxi. »Automaten heiraten niemals; jeder weiß das.«
    »In Ordnung«, nickte Eric. »Wenn du dich an meiner Stelle befinden würdest und deine Frau wäre krank, so schwer krank, daß keine Hoffnung auf Heilung besteht – würdest du sie verlassen? Oder würdest du bei ihr bleiben, selbst wenn du zehn Jahre in die Zukunft gereist wärest und erfahren hättest, daß ihr Hirnschaden mit absoluter Sicherheit irreparabel ist? Und bei ihr zu bleiben, würde bedeuten …«
    »Ich verstehe, was Sie meinen«, unterbrach das Taxi. »Es würde bedeuten, daß Sie Ihr ganzes Leben damit verbringen müßten, für sie zu sorgen.«
    »Das ist richtig«, bestätigte Eric.
    »Ich würde bei ihr bleiben«, entschied das Taxi.
    »Warum?«
    »Weil«, fuhr das Taxi fort, »das Leben aus den realen Erlebnissen besteht, denen man ausgesetzt ist. Sie zu verlassen, würde bedeuten: Ich kann die Realität nicht ertragen. Ich brauche leichtere Bedingungen.«
    »Ich glaube, du hast recht«, sagte Eric nach einer Weile. »Ich glaube, ich werde bei ihr bleiben.«
    »Gott segne Sie, Sir«, erklärte das Taxi. »Ich weiß, daß Sie ein guter Mensch sind.«
    »Danke«, murmelte Eric.
    Das Taxi brummte weiter in Richtung Tijuana Fur & Dye Corporation.

 
Nachwort
     
    Gleichgültig reagiert wohl kaum ein Leser auf die Werke von Philipp K. Dick. Entweder mag man sie gar nicht, oder man mag sie sehr. Ich mag sie sehr.
    Dick verwendet nicht wie einige andere Autoren eine gleichbleibende Welt der Zukunft als Handlungshintergrund für eine größere Anzahl von Werken, obwohl bestimmte Versatzstücke – zum Beispiel Simulacra und Robotermechanismen aller Art – immer wieder auftauchen. Dennoch hat man das Gefühl, daß dieser Autor im Grunde an einem einzigen großen SF-Roman schreibt. Zumindest gilt dies für seine Romane beziehungsweise für die herausragendsten unter ihnen: The Man in the High Castle (Das Orakel vom Berge), Martian Time Slip (Mozart für Marsianer), The Three Stigmata of Palmer
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