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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr
Autoren: Philip K. Dick
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ohne Anteilnahme.
    Er holte noch zwei Zwanziger und zwei Fünfer hervor. Der Apotheker verschwand. Als er zurückkehrte, hielt er eine Glasphiole in der Hand und legte sie vor Eric auf die Theke; er nahm die Scheine und deponierte sie in seiner altertümlichen Registrierkasse. »Danke«, sagte Eric. Er steckte die Phiole ein und verließ die Apotheke.
    Dann wandte er sich in die Richtung, in der er das Cäsar-Hotel vermutete. Als er es erreichte, begab er sich zum Portier. Er schien der gleiche Mann zu sein, der ihn und Di Do Zi früher am Tag bedient hatte. Ein Tag, dachte Eric, der viele Jahre lang gedauert hat.
    »Erinnern Sie sich noch an den Rieg, mit dem ich hierherkam?« fragte er den Portier.
    Der Portier sah ihn schweigend an.
    »Ist er noch immer hier?« fuhr Eric fort. »Wurde er wirklich von Corning, dem Sternbastard in diesem Gebiet, in Stücke geschnitten? Zeigen Sie mir das Zimmer. Ich möchte es nehmen.«
    »Sie müssen im voraus zahlen, Sir.«
    Er zahlte, nahm den Schlüssel und fuhr mit dem Aufzug hinauf in den richtigen Stock; er folgte dem mit dunklen Teppichen ausgelegten leeren Korridor bis zur Tür des Hotelzimmers, schloß es auf, trat ein und tastete nach dem Lichtschalter.
    Es wurde hell, und er sah nichts; das Zimmer war leer. Als sei der Rieg nur fortgegangen. Er hat recht gehabt, dachte Eric, als er mich bat, ihn zurück in das Kriegsgefangenenlager zu bringen; er hat es die ganze Zeit gewußt. Gewußt, wie er enden würde.
    Er stand da und stellte fest, daß das Zimmer ihm Angst einflößte.
    Er öffnete die Glasphiole, nahm eine Kapsel JJ-180 heraus, legte sie auf den Tisch und schnitt sie mit einem Zehncentstück in drei Teile. Er entdeckte eine gefüllte Wasserkaraffe, spülte ein Drittel der Kapsel hinunter, trat ans Fenster und begann zu warten.
     
    Es wurde Tag. Er befand sich noch immer in dem Hotelzimmer, doch es war Zeit vergangen, obwohl er nicht wußte, wieviel. Monate? Jahre? Der Raum wirkte unverändert, aber wahrscheinlich würde er immer so aussehen; er war ewig und statisch. Er verließ das Zimmer, fuhr hinunter in die Hotelhalle und bat am Zeitschriftenstand neben der Rezeption um eine Zeitung. Die Verkäuferin, eine dicke Mexikanerin, reichte ihm die neueste Ausgabe der Los Angeles Times; er stellte fest, daß er zehn Jahre in die Zukunft versetzt worden war. Man schrieb den 15. Juni 2065.
    Also hatte er die richtige Dosis JJ-180 genommen.
    Er ging in eine Videofonzelle, warf eine Münze in den Apparat und wählte die Nummer der Tijuana Fur & Dye Corporation. Es war Mittag.
    »Ich möchte mit Mr. Virgil Ackerman sprechen.«
    »Wie ist Ihr Name?«
    »Dr. Eric Sweetscent.«
    »Ja, natürlich Mr. Sweetscent. Einen Moment, bitte.« Der Bildschirm flackerte, und dann erschien Virgils Gesicht, und es war noch immer so vertrocknet und faltig wie immer und hatte sich nicht im geringsten verändert.
    »Ich will verdammt sein! Eric Sweetscent! Wo, zum Teufel, stecken Sie, Bursche? Teufel auch, es muß … wie lange ist es her? Drei Jahre? Vier? Wie steht es in …«
    »Was ist mit Kathy?« fragte er.
    »Bitte?«
    »Ich will wissen, was mit meiner Frau ist. Wie ist ihr Gesundheitszustand? Wo befindet sie sich?«
    »Sie meinen Ihre Ex-Frau.«
    »In Ordnung«, nickte er. »Meine Ex-Frau.«
    »Woher soll ich das wissen, Eric? Seit sie hier gekündigt hat, habe ich sie nicht mehr gesehen, und das ist – das wissen Sie doch – schon sechs Jahre her. Kurz nach dem Wiederaufbau. Kurz nach dem Krieg.«
    »Sagen Sie mir alles, was mir helfen könnte, sie zu finden.«
    Virgil dachte nach. »Nun, Herrgott – Eric, Sie wissen doch, wie sich ihr Zustand verschlechterte. Diese psychopathischen Wutanfälle …«
    »Ich weiß nichts davon.«
    Virgil wölbte die Augenbrauen. »Sie haben doch die Überweisungspapiere unterschrieben.«
    »Sie meinen, sie befindet sich jetzt in einer Anstalt? Noch immer?«
    »Wie Sie mir selbst erklärten, handelte es sich um eine irreversible Hirnschädigung. Hervorgerufen durch diese giftigen Drogen, die sie genommen hat. Also nehme ich an, daß sie sich noch in der Anstalt befindet. Vermutlich in San Diego. Ich glaube, Simon Ild hat es irgendwann einmal erwähnt; soll ich ihn fragen? Er sagte, er hätte jemanden getroffen, der einen Freund in einem psychiatrischen Krankenhaus nördlich von San Diego besuchte und …«
    »Fragen Sie ihn.« Er wartete, während Virgil auf einer anderen Leitung mit Simon sprach.
    Schließlich wurde das längliche, bekümmerte
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