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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr
Autoren: Philip K. Dick
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weiter mit Eric zu unterhalten. Und dann, unvermittelt, erhellte sich der Bildschirm wieder; erneut flammte Molinaris Gesicht auf. »Denken Sie daran, Doktor, Sie haben Ihre Aufgabe erledigt; Sie haben sie dazu gezwungen, meinen letzten Willen zu erfüllen, dieses zehnseitige Dokument, das sie hin und her schoben, als Sie eintrafen. Ohne Sie wäre ich jetzt nicht hier; ich habe Ihnen das schon einmal gesagt, und ich möchte nicht, daß Sie das vergessen – ich habe nicht die Zeit, dies immer und immer wieder zu sagen.« Er lächelte kurz, und erneut verschwand er vom Bildschirm. Und diesmal blieb das Videofon dunkel.
    Aber ein Fehler bleibt ein Fehler, dachte Eric. Er kehrte in Pat Garrys Küche zurück und setzte sich wieder an seine Kaffeetasse. Keiner von ihnen sagte etwas. Weil ich es verpfuscht habe, erkannte er, verfügen die Sternmenschen nun über genug Zeit, ihre Vorbereitungen zu treffen und mit allem, was sie haben, über die Erde herzufallen. Millionen Menschenleben, vermutlich Jahre der Besetzung – das ist der Preis, den wir alle dafür bezahlen müssen. Weil es mir heute früh als eine gute Idee erschien, Di Do Zi in ein Zimmer im Cäsar-Hotel statt direkt zur TF&D zu bringen. Doch dann dachte er: In der TF&D-Zentrale besitzen sie ebenfalls mindestens einen Agenten; wahrscheinlich hätten sie ihn dort auch erwischt.
    Was nun, fragte er sich.
    »Vielleicht haben Sie recht, Pat«, wandte er sich an das Mädchen. »Vielleicht sollte ich wirklich Militärarzt werden und in einem Stützpunktkrankenhaus nahe der Front arbeiten.«
    »Ja, warum nicht?« erwiderte sie.
    »Aber«, fuhr er fort, »es wird nicht mehr lange dauern, und das wissen Sie noch nicht, dann befindet sich die Front hier auf der Erde.«
    Sie wurde bleich und versuchte zu lächeln. »Warum?«
    »Politik. Das Auf und Ab des Krieges. Die Unzuverlässigkeit der Verbündeten. Die Alliierten von heute sind die Feinde von morgen. Und umgekehrt.« Er leerte die Kaffeetasse und erhob sich. »Viel Glück, Pat, für Ihre Fernsehkarriere und für ihr ganzes, gerade begonnenes, junges Leben. Ich hoffe, daß Sie nicht allzuviel unter dem Krieg zu leiden haben.« Der Krieg, den ich zur Erde geholt habe, dachte er. »Leben sie wohl.«
    Sie blieb am Küchentisch sitzen, trank ihren Kaffee und sagte nichts, als er durch den Korridor zur Tür ging, sie öffnete und sie dann hinter sich schloß. Sie hatte ihm nicht einmal auf Wiedersehen gesagt; sie war zu verängstigt, zu gelähmt von der Neuigkeit gewesen, die er ihr mitgeteilt hatte.
    Trotzdem vielen Dank, Gino, dachte er, während er mit dem Lift hinunter ins Erdgeschoß fuhr. Es war eine gute Idee; es ist nicht dein Fehler, daß es nicht geklappt hat. Sie hat nur dazu geführt, daß ich jetzt weiß, wie wenig Gutes ich erreicht und wieviel Schaden ich der Welt zugefügt habe.
    Er wanderte durch die dunklen Straßen von Pasadena, bis er ein Taxi entdeckte und es heranwinkte. Es hielt neben ihm, und er stieg ein, und dann fragte er sich, wohin er sich wenden sollte.
    »Sie meinen«, erkundigte sich das Taxi, »Sie wissen nicht, wo Sie wohnen, Sir?«
    »Bring mich nach Tijuana«, erklärte er plötzlich.
    »Ja, Sir«, erwiderte das Taxi und schoß mit großer Geschwindigkeit in Richtung Süden davon.
     

 
14
     
    Nacht über Tijuana. Ziellos wanderte er umher, schlurfte über den Bürgersteig, vorbei an den Neonreklamen der schmalen, barackenähnlichen Geschäfte, lauschte dem Geschrei der mexikanischen Händler und genoß wie immer die Geschäftigkeit und das sinnlose, nervöse Hupen der Flitzer und Automatentaxen und der altmodischen turbinenbetriebenen Bodenautos, die in den USA hergestellt und irgendwie vor ihrer Verschrottung über die Grenze gebracht worden waren.
    »Ein Mädchen, Mister?« Ein Junge, kaum älter als elf Jahre, zupfte Eric am Ärmel. »Meine Schwester; sie ist erst sieben und hat noch nie in ihrem Leben mit einem Mann geschlafen; ich versichere Ihnen vor Gott, daß Sie garantiert der erste sein werden.«
    »Wieviel?« fragte Eric.
    »Zehn Dollar plus die Kosten für das Zimmer; im Namen Gottes, es muß in einem Zimmer stattfinden; auf der Straße wird die Liebe zu etwas Schmutzigem; Sie können es nicht hier draußen tun und danach noch sich selbst achten.«
    »Eine Feststellung«, stimmte Eric zu. Aber er ging weiter.
    In der Nacht verschwanden die Robameisen-Händler mit ihren riesigen, unnützen, maschinengefertigten Teppichen und Körben, ihren Karren voller landeseigener
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