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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr
Autoren: Philip K. Dick
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in die Taschen vergraben, mischte er sich unter die Menge, die sich über die Bürgersteige von Tijuana wälzte, bis er bei der Apotheke ankam, in der er die Kapseln mit dem JJ-180 erworben hatte. Wie immer war sie geöffnet. Und auch sie hatte sich im Verlauf dieses Jahrzehnts nicht verändert, sah man davon ab, daß die Bandagen nicht mehr im Schaufenster lagen. Statt dessen entdeckte er einen Apparat, der ihm unbekannt war. Er blieb stehen und studierte die in Spanisch gehaltene Tafel, die dahinter stand. Offenbar erhöhte dieses Gerät die sexuelle Potenz, wenn er den Text richtig verstand. Ermöglichte unbegrenzte Orgasmen, die rasch hintereinander erfolgten. Amüsiert betrat er die Apotheke und ging zum Ladentisch.
    Diesmal begrüßte ihn eine schwarzhaarige, ältliche Frau. » Si?« sagte sie und entblößte billige Chromzähne.
    »Führen Sie ein westdeutsches Mittel namens G-Totex blau?«
    »Ich werde nachsehen. Sie warten, ja?« Die Frau schlurfte davon und verschwand zwischen den Regalen mit den Pharmazeutika. »G-Totex blau sein schrecklich starkes Gift«, rief ihm die alte Frau zu. »Sie müssen sich in Buch eintragen; si ?«
    »Si«, stimmte Eric zu.
    Sie legte die schwarze Packung mit dem Gift vor sich auf den Ladentisch. »Zwei US-Dollar fünfzig«, sagte die alte Frau. Sie griff nach dem Kontrollbuch und reichte es ihm, damit er sich eintragen konnte. Während er unterschrieb, packte sie die schwarze Schachtel ein. »Sie wollen sich umbringen, Señor?« fragte sie plötzlich. »Nun, ich kann Señor versichern, daß Mittel sein vollkommen schmerzlos; ich habe schon einmal beobachtet. Keine Schmerzen; nur Herz bleiben unvermittelt stehen.«
    »Ja«, nickte er. »Es ist ein gutes Mittel.«
    »Von A.G. Chemie. Sehr zuverlässig.« Sie strahlte ihn an.
    Er zahlte – seine zehn Jahre alten Scheine wurden anstandslos akzeptiert – und verließ die Apotheke mit seinem Päckchen. Unheimlich, dachte er. In Tijuana ist noch immer alles so, wie es einst war. Und immer sein wird. Selbst wenn man sich umbringen will, scheint sich keiner darum zu kümmern; ein Wunder, daß es keine Geschäfte gibt, die das für zehn Pesos erledigen. Doch vielleicht existieren sie inzwischen sogar.
    Die Selbstverständlichkeit, mit der ihn die Frau bedient hatte, schockierte ihn ein wenig – und sie hatte absolut nichts von ihm gewußt, nicht einmal seinen Namen. Es liegt am Krieg, sagte er sich. Ich weiß gar nicht, warum ich mich davon überraschen lasse.
    Als er zum Cäsar-Hotel zurückgekehrt war und hinauf zu seinem Zimmer gehen wollte, hielt ihn der Portier auf; er war ihm unbekannt. »Sir, Sie gehören nicht zu unseren Gästen.« Rasch war der Portier hinter seinem Tresen hervorgeglitten und hatte sich ihm in den Weg gestellt. »Möchten Sie ein Zimmer?«
    »Ich habe eins«, erklärte Eric, aber dann erinnerte er sich, daß dies schon zehn Jahre zurücklag; sein Anspruch war schon lange erloschen.
    »Neun US-Dollar pro Nacht, und zwar im voraus«, informierte ihn der Portier. »Da Sie kein Gepäck mit sich führen.«
    Eric holte seine Brieftasche hervor und reichte ihm eine Zehn-Dollar-Note. Der Portier betrachtete den Schein mit professioneller Ablehnung und deutlichem Mißtrauen.
    »Die sind eingezogen worden«, informierte ihn der Portier. »Es ist schwer, sie jetzt noch einzuwechseln, da sie nicht mehr legal sind.« Er hob den Kopf und blickte Eric herausfordernd an. »Zwanzig. Zwei Zehner. Und vielleicht werde ich sie selbst dann nicht akzeptieren.« Er wartete gelassen; es war offensichtlich, daß es ihm mißfiel, mit dieser Währung bezahlt zu werden. Vermutlich erinnerte ihn dieses Geld an die alten Zeiten, die schlechten Jahre während des Krieges.
    Er hatte nur noch einen Schein in seiner Brieftasche, und der war ein Fünfer. Und, unglaublicherweise, vielleicht, weil er sie gegen seine Uhr eingetauscht hatte, das nutzlose Geld aus der neunzig Jahre entfernten Zukunft; er warf sie auf den Tresen, und ihre komplizierte, farbenprächtige Musterung stach ihm in die Augen. Also hat Kathys elektronisches Bauteil, das sie ihm Mitte der dreißiger Jahre schickte, Molinari vielleicht doch erreicht, dachte er. Zumindest bestand die Möglichkeit. Er freute sich darüber.
    Der Portier griff nach einem der 2155er Scheine. »Was ist das?« Er hielt ihn gegen das Licht. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Haben Sie die Dinger selbst hergestellt?«
    »Nein«, sagte Eric.
    »Ich kann sie nicht gebrauchen«, entschied der
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