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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr
Autoren: Philip K. Dick
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davon überraschen lasse.
    Als er zum Cäsar-Hotel zurückgekehrt war und hinauf zu seinem Zimmer gehen wollte, hielt ihn der Portier auf; er war ihm unbekannt. »Sir, Sie gehören nicht zu unseren G ä sten. « Rasch war der Portier hinter seinem Tresen hervorg e glitten und hatte sich ihm in den Weg gestellt. »Möchten Sie ein Zimmer? «
    »Ich habe eins «, erklärte Eric, aber dann erinnerte er sich, daß dies schon zehn Jahre zurücklag; sein Anspruch war schon lange erloschen.
    »Neun US-Dollar pro Nacht, und zwar im voraus «, info r mierte ihn der Portier. »Da Sie kein Gepäck mit sich führen. «
    Eric holte seine Brieftasche hervor und reichte ihm eine Zehn-Dollar-Note. Der Portier betrachtete den Schein mit professioneller Ablehnung und deutlichem Mißtrauen.
    »Die sind eingezogen worden «, informierte ihn der Po r tier. »Es ist schwer, sie jetzt noch einzuwechseln, da sie nicht mehr legal sind. « Er hob den Kopf und blickte Eric herausfordernd an. »Zwanzig. Zwei Zehner. Und vielleicht werde ich sie selbst dann nicht akzeptieren. « Er wartete g e lassen; es war offensichtlich, daß es ihm mißfiel, mit dieser Währung bezahlt zu werden. Vermutlich erinnerte ihn dieses Geld an die alten Zeiten, die schlechten Jahre während des Krieges.
    Er hatte nur noch einen Schein in seiner Brieftasche, und der war ein Fünfer. Und, unglaublicherweise, vielleicht, weil er sie gegen seine Uhr eingetauscht hatte, das nutzlose Geld aus der neunzig Jahre entfernten Zukunft; er warf sie auf den Tresen, und ihre komplizierte, farbenprächtige Musterung stach ihm in die Augen. Also hat Kathys elektronisches Ba u teil, das sie ihm Mitte der dreißiger Jahre schickte, Molinari vielleicht doch erreicht, dachte er. Zumindest bestand die Möglichkeit. Er freute sich darüber.
    Der Portier griff nach einem der 2155er Scheine. »Was ist das? « Er hielt ihn gegen das Licht. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Haben Sie die Dinger selbst hergestellt? «
    »Nein «, sagte Eric.
    »Ich kann sie nicht gebrauchen «, entschied der Portier. »Verschwinden Sie, bevor ich die Polizei rufe; ich weiß, daß Sie die Scheine selbst gedruckt haben. « Angewidert warf er den Schein zurück zu den anderen. »Was für ein albernes Geld. Ziehen Sie ab. «
    Eric nahm seinen Fünfer, ließ die 2155er Noten auf dem Tresen liegen, wandte sich ab und verließ mit der Packung G-Totex blau das Hotel.
    Es gab viele häßliche kleine Gassen in Tijuana, selbst jetzt nach dem Krieg; er stieß auf einen schmalen, düsteren Weg zwischen zwei Ziegelsteinhäusern, der von Laub übe r sät und mit überquellendem Müll aus zwei riesigen Asche i mern bedeckt war, die einst als Ölbehälter gedient hatten. Er setzte sich auf die unterste Stufe einer Holztreppe, die zu einem Hintereingang hinaufführte, entzündete eine Zigare t te, rauchte und überlegte. Von der Straße aus konnte er nicht gesehen werden; die Menschen eilten auf dem Bürgersteig an ihm vorbei, ohne auf ihn zu achten, und er begann sie zu beobachten, vor allem die Mädchen. Auch in diesem Punkt hatte sich im Vergleich zu früher nichts geändert. Die Mä d chen auf den Straßen von Tijuana kleideten sich mit u n nachahmlichem Geschick: hohe Absätze, Angorapullover, glänzende Taschen, Handschuhe, die Jacke über die Schulter geworfen. Eines eilte vorbei, mit hohen, spitzen Brüsten, und ihr Geschmack verriet sich sogar in ihrem modernen BH. Was für ein Leben führten diese Mädchen? Wo hatten sie gelernt, sich so gut zu kleiden, von dem Problem mal ganz abgesehen, sich eine derart teure Garderobe zu fina n zieren? In seiner eigenen Zeit hatte er sich dies schon g e fragt, und er fragte sich dies auch jetzt.
    Die Antwort, spekulierte er, würde er nur erhalten, wenn er eines von diesen Tijuana-Mädchen anhielt und es fragte, wo es lebte und ob es seine Kleidung hier oder jenseits der Grenze kaufte. Er fragte sich, ob diese Mädchen schon j e mals in den Vereinigten Staaten gewesen waren, ob sie vie l leicht Freunde in Los Angeles besaßen und ob sie so gut im Bett waren wie sie aussahen. Irgend etwas, eine unsichtbare Kraft, ermöglichte ihnen dieses Leben. Er hoffte, daß diese Kraft sie nicht gleichzeitig auch frigide machte – was wäre das für eine Travestie des Lebens.
    Schlimm an diesen Mädchen ist nur, dachte er, daß sie so schnell altern. Es stimmt, was man so hört; mit dreißig sind sie verbraucht, fett, BH und Jacke und Tasche und Han d schuhe sind verschwunden, und alles,
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