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Waren Sie auch bei der Krönung?

Waren Sie auch bei der Krönung?

Titel: Waren Sie auch bei der Krönung?
Autoren: Paul Gallico
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vergrößern, fügte er hinzu: «Einen doppelten, wenn du willst.»
    Die Großmutter kapitulierte und sah einen Augenblick lang genauso schwach und albern aus wie ihre Tochter. «Wenn du was zum Zahlen hast, Will, würde es mir ganz guttun, mich etwas aufzuwärmen.»
    «Einen doppelten Pink Gin», bestellte Clagg, «und mir ein dunkles Bier, und der Kleinen und dem Jungen dort drüben bringen Sie Ingwerbier.»
    Der Kellner schrieb alles sorgfältig auf, und seine Lippen formten lautlos die Worte der Bestellung: «Eine Viert. Fl. Champagner. 1 dppl. Pink Gin. 1 dkl. Bier. 2 Ingwerbier.» Und dann segelte er davon, während die am Tisch in einem Zustand höchster Aufregung zurückblieben.
    Der Speisewagen füllte sich, der Zug lärmte, schwankte und brauste weiter, und dazu gesellte sich gelegentlich weiter vorne das schrille Heulen der Lokomotive. Im Handumdrehen — nein, anscheinend noch schneller — kehrte der Weinkellner mit einem Tablett voller Flaschen und Gläser zurück, wobei er im Gang einen höchst graziösen und exquisiten pas seul tanzte. Auf dem Tablett befanden sich ein richtiges, breitrandiges Champagnerglas mit einem schlanken Fuß und ein kleiner silberfarbiger Kühleimer. Er war mit Wasser gefüllt, in dem mutlos zwei Eisstücke schwammen und sanft an eine Viertelflasche Champagner anstießen. Alles war von zwergenhaftem Ausmaß, aber hundert Prozent echt. Der Flaschenhals war mit Stanniol umwickelt, der Korken mit Draht befestigt, das Etikett vielfarbig und die Schrift darauf in Französisch.
    Der Kellner sah fragend auf Clagg, der mit einer plumpfingrigen Hand auf seine Frau wies. Glas und Eimer wurden vor ihr auf den Tisch gestellt. Ein hübsches Quantum angosturafarbenen Gins wurde vor der Großmutter placiert und nach ihrem Geschmack mit Wasser verdünnt. Dann entfernte der Kellner mit der gleichen Bewegung, mit der ein Zauberkünstler ein Kaninchen aus einem Hut zieht, und mit der blendenden Geschwindigkeit eines Taschenspielers die Kapseln von der Bierflasche und den beiden Flaschen Ingwerbier, füllte die Gläser mit Rücksicht auf das Schütteln des Eilzuges nur zur Hälfte und servierte die Getränke. «Soll ich den Champagner gleich öffnen, Madame? Er ist schon eisgekühlt.»
    «Ja, bitte», antwortete Violet. Ihre Augen waren wie Teller, ihre Lippen waren vor Erregung geöffnet. Sie saß jetzt steif und aufrecht da. Alle Müdigkeit war von ihr abgefallen. Das gleiche galt für Gwen-doline, die ebenfalls völlig steif dasaß und ihre Nase in das Ingwerbier getaucht hatte.
    Der Kellner war ein weiser, gewitzter, wohlgeschulter Mann. Er hatte die Gruppe an dem Tisch innerhalb einer Sekunde klassifiziert, die Bedeutung des festlichen Champagners begriffen und beabsichtigte, das Ritual getreulich zu befolgen.
    Er hatte eine Serviette über dem Arm, holte die kleine Flasche aus dem Kübel, wickelte sie wie ein Kind in das Tuch, dann krümmten seine geschickten Finger den Draht, bis der lose genug war, um entfernt zu werden, und legte ihn sorgsam neben den Eimer auf den Tisch. Er wußte, daß er von dort verschwinden würde, um als Andenken aufgehoben zu werden. Er prüfte den Stöpsel heimlich mit einem kräftigen Fingerdruck und hoffte ihretwegen, daß er knallen würde. Sehr oft war der Champagner in diesen kleinen Flaschen schal, und der Pfropfen kam heraus wie aus eine Medizinflasche. Nein, hier gab es einen gewissen Druck. Er drehte den Korkenzieher zweimal, und dann zog er an. Ungeachtet des Lärm des Zuges war eine befriedigende Detonation zu hören, und mehrere Köpfe wandten sich in ihrer Richtung, wie es unausbleiblich geschieht, wenn irgendwo eine Champagnerflasche geöffnet wird.
    Sofort erschien etwas Schaum an dem Mund der grünen Glasflasche, aber der erfahrene Kellner war flink bei der Hand. In weniger als einer Sekunde hatte er das Glas ergriffen. Aus zwanzig Zentimeter Entfernung ließ er den Wein in das Glas schäumen, gelblich und mit Bläschen darin. Er setzte das Glas vor Mrs. Clagg nieder, stellte die Champagnerflasche in den Kübel, legte die Serviette darüber, so wie Violet es oft im Film gesehen hatte, sagte: «Zum Wohl, Madame!» und verschwand. Für Violet war es der glorreichste und herrlichste Augenblick ihres Lebens.
    Sie saß einige Sekunden lang still da und beobachtete, wie die silbernen Bläschen zur Oberfläche des goldenen Weins stiegen. In diesem Moment fügten sich alle Bruchstücke des zertrümmerten Gebäudes dieses Tages wieder zusammen. Ihr war
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