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Waren Sie auch bei der Krönung?

Waren Sie auch bei der Krönung?

Titel: Waren Sie auch bei der Krönung?
Autoren: Paul Gallico
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höflich und gutgelaunt gewesen und hatte gesagt: «Zum Wohl, Madame!», und sie hatte Champagner gekostet und getrunken, so wie sie es sich ersehnt hatte.
    Aber in Wirklichkeit hatte Violet den Korken in ihrer Hand mit ganz anderen Worten gekennzeichnet, und sie wußte einfach nicht, wie sie darauf verfallen war. Im Geist knüpfte sie nämlich an den Stöpsel ein Kärtchen mit dem Text: «Andenken an meines Mannes Herz».
    Denn Liebe war etwas, woran Violet Clagg schon lange nicht gedacht hatte. Einmal, als sie jung waren, hatte ihr Will natürlich gesagt, daß er sie liebe. Sie hatten geheiratet, sie hatten Kinder bekommen. Sie gehörten nicht zu der Sorte Menschen, die gewohnheitsmäßig ihre Leidenschaft und Zuneigung immer wieder beteuern, noch wäre es ihnen eingefallen, den andern zu fragen: «Liebst du mich?» Das hätte sie in tödliche Verlegenheit gebracht. Noch immer schliefen sie gelegentlich aus Notwendigkeit oder Drang miteinander, oder in einem Augenblick aufflammender Leidenschaft, und Clagg blickte sie manchmal zärtlich an oder streichelte ihre Hand und nannte sie «meine Alte». Aber von jenen Ausdrucksformen der , von denen die Dichter sprechen, oder von den Beweisen der Leidenschaft, wie sie im Kino dargestellt wurden — Spaziergänge im Mondschein, die Arme um die Taille gelegt, geflüsterte Schwüre und Beteuerungen, Seufzer, Blicke, gestammelte Worte — , war keine Rede mehr, und man konnte das auch nicht mehr erwarten. Wo war also diese Liebe? Was war aus ihr geworden? Sie war in jenem Champagnerpfropfen, der von dem Grift ihrer Hand so warm und feucht geworden war.
    Er sprach, er rief, er sang für sie all die Worte und Lieder, denen ihr Mann niemals Ausdruck geben konnte. Er dachte an sie. Ihr Platz in seinem Herzen war sicher. Ihr Glück, die Erfüllung eines Wunsches oder Traums, soweit es in seiner Macht lag, war ihm wichtig. Er hatte sich erinnert! Er liebte sie! Nie würde sie den Krönungstag vergessen.
    Johnny saß da und hielt beide Hände unter die Fransen des baumwollenen Tischtuchs. Seinen Fingern prägten sich zum hundertstenmal die Konturen des Abzeichens ein: die Krone, der Löwe, das Einhorn und das Wort Fidelis. Der Charakter seines Traums hatte sich geändert. Er war nicht mehr so kindisch und überschwenglich. Wieder fielen ihm die Worte des alten Herrn ein: «Niemals nachlassen!» Er blickte nach vorn, bemüht, sich auf seine Zukunft zu konzentrieren. Eines Tages würde er das Abzeichen zu Recht tragen. So viel trennte ihn gar nicht mehr von den Erwachsenen.

    Die Großmutter hatte allen eine zweite Tasse Tee eingegossen und den Kindern viel Zucker und Milch hineingetan. Will Clagg schenkte in die Tassen für die Großmutter, für Violet und für sich selbst eine tüchtige Portion Gin ein. Sie waren wieder daheim, gesund und zufrieden. Er empfand, daß der Anlaß eine Rede erforderte, und sammelte seine Kräfte, um das Wort zu ergreifen. Er blickte die andern ernst an und räusperte sich, um anzudeuten, daß er etwas sagen wolle, und wurde mit befriedigendem Schweigen und Aufmerksamkeit belohnt.
    «Nun», sagte er, «das ist mal ein Tag gewesen!» Er fragte sich verwundert, wie einem Menschen nur so viele Hunderte von Gedanken durch den Kopf gehen konnten, ohne daß er imstande war, sie auszudrücken. Daß all das, was er sich unter einer Huldigung für die Königin vorgestellt hatte, die seltsame Liebe, die in ihm wachgeworden war, all seine Empfindungen in dem einen Satz gipfelten: «Nun, das ist mal ein Tag gewesen!»
    «Er ist nicht ganz so ausgefallen, wie wir es erwartet haben», fuhr er fort, «aber wir sind hin gefahren, nicht wahr? Wir haben unser Bestes getan.»
    Claggs Gedanken wanderten plötzlich zu dem Zeitungsausschnitt in seiner Brieftasche, und er sagte: «Wenn die Königin die Zeitungen liest, was sie bestimmt tut, wird sie erfahren, daß wir es versucht haben. Denn da steht geschrieben, was uns passiert ist. Aber an einem solchen Tag kommt es nicht auf uns an, sondern auf sie, und Gott sei Dank ist alles gut gegangen. So wollen wir auf ihr Wohl trinken und dann zu Bett gehn.»
    Es gab keine Einwände. Johnny dachte, wie wunderbar es wäre, wenn auch er eine solche Rede halten könnte, und er hoffte, daß er einmal dazu imstande sein würde.
    Clagg hob seine Tasse in Richtung des über dem Kaminsims hängenden Bildnisses und sagte: «Auf Ihre Majestät, die Königin Elisabeth die Zweite! Gott beschütze und segne sie!» Die beiden Frauen hoben
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