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War against people

War against people

Titel: War against people
Autoren: Noam Chomsky
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Fachschaft Biologie marschiert in den Hörsaal unserer Universität und
    verkündet: »Ihr seid Gegenstand von Experimenten, bei denen wir euch Elektroden ins Gehirn
    pflanzen, um zu sehen, was dann passiert. Ihr dürft euch weigern, aber nur, wenn ihr
    wissenschaftlich nachweisen könnt, daß euch Schaden zugefügt wird.« Normalerweise ist es
    ziemlich schwierig, wissenschaftliche Nachweise dieser Art zu erbringen. Haben wir
    trotzdem das Recht, uns zu verweigern? Den Regeln der WTO zufolge nicht. Wir müßten uns
    den Experimenten unterwerfen und wären damit dem ausgeliefert, was Edward Herman
    »Produzenten-Souveränität« genannt hat. 16 Der Produzent hat die Macht, während die
    Konsumenten sehen müssen, wie sie sich verteidigen. Das gilt, wie Herman zeigt, auch für
    die einheimische Produktion. Die Hersteller von Pestiziden und anderen chemischen
    Produkten müssen nicht belegen, daß ihre Erzeugnisse umweltverträglich sind. Vielmehr
    muß die Öffentlichkeit wissenschaftlich nachweisen, daß sie schädlich sind, wobei sie sich
    oft genug auf schlecht finanzierte staatliche Behörden verlassen müssen, die der Industrielobby
    und anderen Drangsalierern ausgesetzt sind.
    Darum ging es bei dem faulen Kompromiß von Montreal. Und es ging, wie man an der
    Kräfteverteilung sieht, nicht ums Prinzip. Auf der einen Seite standen die Vereinigten Staaten
    und ein paar andere Länder, die an Biotechnologie und dem Export von High-Tech-
    Landwirtschaftsprodukten interessiert sind, auf der anderen Seite all jene — fast alle —, die
    nicht erwarteten, von den Experimenten zu profitieren. Aus ähnlichen Gründen befürwortet
    die Europäische Union hohe Zölle für landwirtschaftliche Produkte. Das taten die USA vor
    vierzig Jahren ebenfalls, jetzt aber nicht mehr - und nicht deshalb, weil sich die Prinzipien
    verändert hätten, sondern weil sich die Machtstrukturen gewandelt haben.
    Das vorrangige Prinzip besagt, daß die Reichen und Mächtigen in der Lage sein müssen, das
    zu tun, was sie wollen (wobei sie sich natürlich auf edelste Motive berufen). Daraus folgt,
    daß Souveränität und demokratische Rechte dem weichen müssen, und die Menschen sich
    in diesem Fall - und das macht ihn so dramatisch — nicht weigern dürfen, Gegenstand .von
    Experimenten zu sein, wenn US-Konzerne davon profitieren können. Es ist ganz natürlich,
    daß sich die USA auf die WTO-Regeln berufen, denn sie haben das vorrangige Prinzip
    schließlich formuliert, und darum geht es.
    Diese Probleme sind zwar sehr real und betreffen eine große Anzahl von Menschen in der
    Welt, sind aber de facto zweitrangig gegenüber anderen Methoden, die Souveränität zugunsten
    der Ausweitung privater Macht einzuschränken. Am wichtigsten war, denke ich, die Auflösung
    des Systems von Bretton Woods, die Anfang der siebziger Jahre von den USA, Großbritannien
    und anderen betrieben wurde. Entworfen hatten es die USA und Großbritannien in den späten
    vierziger Jahren. Das war die Zeit der Wohlfahrtsprogramme und radikaler demokratischer
    Maßnahmen. Auch deshalb regulierte das System die Wechselkurse und kontrollierte den
    Kapitalfluß. Es ging darum, schädliche Spekulationen zu verhindern und die Kapitalflucht
    einzudämmen. Die Gründe für die Einrichtung des Systems wurden deutlich benannt - der
    freie Kapitalfluß führt zu einem »virtuellen Parlament« des globalen Kapitals, das eine von
    ihm als irrational empfundene Regierungspolitik blockieren kann. Darunter fallen zum
    Beispiel Arbeiterrechte, Bildungs- oder Gesundheitsprogramme oder Maßnahmen zur
    Wirtschaftsförderung, oder, kurz gesagt, alles, was der Bevölkerung nutzt, nicht aber den
    Profiten (und darum im technischen Sinne als irrational gilt).
    25 Jahre lang funktionierte das System von Bretton Woods mehr oder weniger gut. Viele
    Ökonomen bezeichnen diese Ära als »Goldenes Zeitalter« des modernen Kapitalismus
    (genauer gesagt: des modernen Staatskapitalismus), in der Wirtschaft, Handel, Produktivität,
    Investitionen, wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen florierten wie nie zuvor. Damit war es zu
    Beginn der siebziger Jahre vorbei. Das System wurde zerschlagen, die Finanzmärkte dereguliert,
    die Wechselkurse freigegeben.
    Die auf Bretton Woods folgende Epoche wurde oft das »bleierne Zeitalter« genannt. Es gab
    eine gewaltige Explosion kurzfristig angelegten Spekulationskapitals, das die produktive
    Wirtschaft völlig marginalisierte. Die Sozialwirtschaft verfiel in fast jedem
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