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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Sándor Márai
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Kind geboren wäre. Und vielleicht wäre es auch anders gekommen, wenn es am Leben geblieben wäre. Vielleicht … Denn das Kind ist zwar das größte Wunder, der einzige Sinn des Lebens, aber machen wir uns nichts vor, und so will ich dir auch gleich sagen, daß ich nicht glaube, ein Kind könne lösen, was es zwischen zwei Menschen an versteckten Spannungen und unerledigten Verwicklungen gibt. Aber lassen wir das. Eines Tages wurde also das Kind geboren, es lebte zwei Jahre, dann ist es gestorben. Mein Mann und ich blieben noch zwei Jahre zusammen, dann haben wir uns scheiden lassen.
    Heute bin ich sicher, daß wir uns im dritten Jahr getrennt hätten, wenn nicht das Kind dazwischengekommen wäre. Wieso? … Weil ich da schon wußte, daß ich mit meinem Mann nicht leben kann. Es ist etwas vom Schmerzlichsten, wenn man jemanden liebt und nicht mit ihm leben kann.
    Warum? … Er hat es einmal gesagt, als ich unbedingt von ihm wissen wollte, was zwischen uns nicht richtig sei. Er sagte: »Du verlangst von mir, daß ich auf meine Menschenwürde verzichte. Das kann ich nicht. Lieber sterbe ich.«
    Ich verstand ihn gleich, und ich sagte: »Stirb nicht. Besser, du lebst und bleibst ein Fremder.«
    Denn wenn er etwas sagte, tat er es auch, so war er. Vielleicht tat er es nicht sofort, sondern er sagte etwas und führte es nach Jahren aus. Andere reden einfach so daher, von Plänen und Möglichkeiten, nach dem Abendessen, beiläufig, um es dann gleich wieder zu vergessen. Mein Mann hingegen war konsequent. Er schien an seine Worte gebunden, und was er einmal gesagt hatte, ließ er nicht mehr los. Wenn er sagte: »Lieber sterbe ich«, so mußte ich wissen, daß dieser Mensch tatsächlich eher sterben würde, als sich mir zu ergeben. Das war sein Charakter und sein Schicksal … Zuweilen ließ er im Gespräch ein paar Worte fallen, urteilte über einen Menschen, erwähnte einen Plan, und dann vergingen Jahre, in denen er nicht davon redete, bis ich eines Tages merkte, daß der Mensch, den er verurteilt hatte, aus unserem Leben verschwunden war, daß der Plan, den er nebenbei erwähnt hatte, Wirklichkeit geworden war. Im dritten Jahr wußte ich bereits, daß wir große Probleme miteinander hatten. Mein Mann war zwar höflich, zärtlich, und er liebte mich auch. Er betrog mich nicht, er hatte keine anderen Frauen. Und doch … du, schau jetzt nicht her, ich glaube, ich werde rot … Und doch fühlte ich mich in den ersten drei und den letzten zwei Jahren unserer Ehe nicht so wie seine Frau, sondern … na ja. Sicher, er liebte mich. Aber gleichzeitig duldete er mich auch einfach nur, in seiner Wohnung, in seinem Leben. Es war etwas von freundlicher Nachsicht an ihm, als müsse er sich damit abfinden, daß auch ich dort lebte, im dritten Zimmer. Weil das eben die Ordnung der Dinge war. Er sprach gern und aufmerksam mit mir, nahm die Brille ab, hörte mich an, gab mir Ratschläge, machte zuweilen auch einen Spaß, oder wir gingen ins Theater, und ich sah, wie er mit verschränkten Armen und zurückgelegtem Kopf ein bißchen spöttisch, ein bißchen skeptisch den Leuten zuhörte. Denn auch den anderen Menschen ergab er sich nicht ganz. Er hörte sie ernst und verantwortungsbewußt an und gab dann eine Antwort, aber in seiner Stimme war ein leicht mitleidiger Ton, ein Wissen darum, daß in den menschlichen Angelegenheiten auch immer ein Anteil an Unbeholfenheit, Leidenschaft, Lüge und Verdrängung ist, so daß man nicht alles für wahr zu halten braucht, auch dann nicht, wenn jemand in gutem Glauben redet. Das durfte er den Leuten natürlich nicht sagen, und deshalb betrachtete er sie mit wohlwollender Überheblichkeit, mit Ernst und Skepsis, wobei er zwischendurch lächelnd den Kopf schüttelte, als wollte er sagen: »Bitte, fahren Sie ruhig fort. Ich weiß, was ich weiß.«
    Du hast mich vorhin gefragt, ob ich ihn geliebt habe. Ich habe an seiner Seite viel gelitten. Aber ich bin sicher, daß ich ihn geliebt habe, und ich weiß auch, warum … Weil er traurig und einsam war und ihm niemand helfen konnte, nicht einmal ich. Doch wieviel Zeit mußte vergehen, wieviel Leiden, bis ich das begriff! Lange glaubte ich, er verachte mich, er schaue auf mich herab. Doch in dieser Haltung war noch etwas anderes. Dieser Mensch war im Alter von vierzig Jahren so einsam wie ein Einsiedler in der Wüste. Wir lebten in der Großstadt, auf großem Fuß, hatten viele Bekannte, einen weiten Gesellschaftskreis. Und waren einsam dabei.
    Nur einmal im
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