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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Sándor Márai
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werden uns erst über den Verstand erträglich und unerträglich. Einfach zu lieben genügt nicht.
    Aber wir wollen nicht streiten. Ich weiß, was ich weiß. Ich habe dafür einen hohen Preis gezahlt. Welchen Preis? … Das Leben, Liebes, das ganze Leben. Daß ich jetzt mit dir hier sitze, in dieser Konditorei im roten Salon, und daß mein Mann für jemand anderen kandierte Orangenschalen kauft. Überrascht mich gar nicht, daß er jetzt kandierte Orangenschalen mitbringt. Sie hatte in allem einen gewöhnlichen Geschmack.
    Wer? … Na ja, die andere Frau. Ich mag ihren Namen nicht aussprechen. Die er dann geheiratet hat. Hast du nicht gewußt, daß er wieder geheiratet hat? … Ich dachte, die Nachricht sei bis zu dir, bis nach Boston gedrungen. Siehst du, so naiv ist man. Denkt, die eigenen Angelegenheiten seien weltbewegende Ereignisse. Als das alles passierte, die Scheidung, die Heirat meines Mannes, geschahen gerade große Dinge in der Welt, Länder wurden auseinandergeschnitten, es wurde zum Krieg gerüstet, und eines Tages brach der Krieg dann aus … Nicht überraschend, denn wie auch Lázár gesagt hatte: etwas, worauf sich die Menschen mit aller Kraft, mit Ausdauer, Voraussicht und Umsicht vorbereiten – auf einen Krieg etwa –, tritt schließlich auch ein. Mich aber hätte es nicht erstaunt, wenn in jenen Monaten die Zeitungen auf der ersten Seite in großen Lettern von meinem Privatkrieg berichtet hätten, von meinen Schlachten, Rückschlägen, kleinen Siegen und überhaupt von der Kampffront, wie es damals mein Leben war … Doch das ist eine andere Geschichte. Bei der Geburt unseres Kindes waren wir noch weit davon entfernt.
    Vielleicht könnte ich es so ausdrücken, daß mein Mann in den zwei Jahren, in denen das Kind lebte, mit mir und mit der Welt Frieden schloß. Noch keinen echten Frieden, eher eine Art Waffenstillstand, fürs erste. Er wartete und beobachtete. Und bemühte sich, in seiner Seele Ordnung zu schaffen. Denn die Seele dieses Menschen war rein. Ich habe dir schon gesagt, daß er ein Mann war. Aber er war auch noch etwas anderes: ein Herr. Natürlich nicht so ein Kasinotyp, der sich duelliert oder sich selbst erschießt, weil er seine Spielschulden nicht bezahlen kann. Karten spielte er gar nicht. Einmal sagte er, ein wirklicher Herr rühre keine Karten an, denn ehrliches Geld sei nur das, was man mit eigener Arbeit verdient habe. In diesem Sinn war er ein Herr. Also höflich und geduldig mit den Schwächeren. Streng und standesbewußt gegenüber den Gleichgestellten. Das war für ihn überhaupt die höchste Stufe, die ein Mensch erreichen kann; die gesellschaftlich höherstehenden Ränge erkannte er nicht an. Nur die Künstler ehrte er. Er sagte, Künstler seien die Kinder Gottes, die sich das schwerste Los ausgesucht hätten. Sonst aber ließ er keinen höheren Stand gelten.
    Und da er ein Herr war, bemühte er sich nach der Geburt des Kindes, die erschreckende, bedrückende Fremdheit in seiner Seele aufzulösen und sich mir und dem Kind zu nähern, auf rührende Art. Wie wenn ein Tiger beschließt, von morgen an Vegetarier zu werden und in die Heilsarmee einzutreten. Ach Gott, wie schwer es ist, zu leben und Mensch zu sein! …
    Nun, wir lebten zwei Jahre so. Nicht wirklich gut, nicht glücklich. Aber ruhig. Die beiden Jahre müssen ihn enorme Kraft gekostet haben. Es braucht eine übermenschliche Kraft, gegen die eigene Natur zu leben. Er versuchte zähneknirschend, glücklich zu sein. Versuchte verkrampft, sich zu lockern, leicht, sorglos und vertrauensvoll zu werden. Der Arme! … Vielleicht hätte er nicht so sehr gelitten, wenn ich ihn losgelassen und all meine Sehnsucht, meine Liebesbedürftigkeit auf das Kind gelenkt hätte. Doch inzwischen war auch mit mir etwas geschehen, das ich damals nicht verstand. Ich liebte mein Kind nur durch meinen Mann. Mag sein, daß mich Gott exakt dafür bestraft hat. Warum schaust du mich mit so großen Augen an? … Glaubst du mir nicht? … Oder bist du erschrocken? Ja, Liebes, meine Geschichte ist eben nicht sehr erbaulich. Ich war entzückt von dem Kind, lebte nur für das Kind, hatte in den zwei Jahren das Gefühl, mein Leben habe Sinn und Zweck. Und doch liebte ich es meines Mannes wegen, ich liebte es für ihn, verstehst du? Ich wollte, daß ihn das Kind an mich binde, auch innerlich voll und ganz. Es ist wohl grauenhaft, das auszusprechen, aber heute weiß ich, daß das Kind, um das ich ewig trauern werde, nur ein Werkzeug war, ein
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