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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Sándor Márai
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wenig übel wurde. Aber auch dieser Geruch gehörte zu ihm, so wie der Heugeruch in seinem Kleiderschrank, denn man mußte seine Anzüge und seine Wäsche mit einem bitteren englischen Heuduft einsprühen, so hatte er es gern. Wie viele Einzelheiten doch einen Menschen ausmachen!
    Endlich sagte er: »Ich habe kein wirkliches Bedürfnis, geliebt zu werden.«
    »Das gibt es nicht«, sagte ich zähneklappernd. »Du bist ein Mensch. Auch du bist unbedingt auf Liebe angewiesen.«
    »Genau das ist es, was die Frauen nicht glauben, nicht verstehen, nicht wissen können«, sagte er und schien zu den Sternen zu sprechen. »Daß es eine Art von Mann gibt, der keine Liebe braucht. Der auch so leben kann.«
    Er sprach ganz unpathetisch, zwar aus großer Entfernung, aber völlig natürlich. Ich wußte, daß er die Wahrheit sagte, wie immer. Oder daß er zumindest glaubte, die Wahrheit zu sagen.
    Ich begann zu feilschen: »Du kannst nicht alles von dir wissen. Vielleicht fehlt dir einfach der Mut, ein Gefühl zu ertragen. Man muß bescheidener, demütiger sein«, sagte ich flehend.
    Er warf die Zigarette weg. Stand auf. Er war groß – du hast ja gesehen, wie groß er ist –, einen Kopf größer als ich. Jetzt wuchs er über mir in die Höhe, lehnte sich ans Balkongeländer, traurige, lange Gestalt unter den Sternen der fremden Nacht, im Herzen das Geheimnis, das ich so gern gekannt hätte. Er verschränkte die Arme und sagte: »Was ist der Sinn eines Frauenlebens? Ein Gefühl, dem sich die Frau überläßt, mit Haut und Haar. Ich weiß das, aber nur vom Verstand her. Ich kann mich nicht einem Gefühl überlassen.«
    »Und das Kind?« fragte ich, jetzt schon angriffslustig.
    »Genau darum geht es«, sagte er lebhaft, mit einem unruhigen Zittern in der Stimme. »Um des Kindes willen bin ich bereit, sehr vieles auf mich zu nehmen. Das Kind liebe ich. Und durch das Kind auch dich.«
    »Und ich …«, begann ich, verstummte aber.
    Ich wagte nicht, ihm zu sagen, daß ich durch das Kind nur ihn liebte.
    In jener Nacht redeten wir lange und schwiegen auch viel. Manchmal habe ich das Gefühl, mich an jedes Wort zu erinnern.
    Er sagte auch: »Ein Frau versteht das nicht. Ein Mann kann auch von seiner eigenen Seele leben. Alles andere ist Zugabe und Nebenprodukt. Und ein Extrawunder, was das Kind betrifft. Da ist man zu Verhandlungen bereit. Laß uns verhandeln. Laß uns zusammenbleiben, aber liebe mich weniger. Liebe das Kind mehr«, sagte er mit einer merkwürdigen, erstickten Stimme und fast etwas drohend. »Mich solltest du innerlich loslassen. Du weißt, daß ich nichts anderes will, daß ich keine Hintergedanken und heimlichen Pläne habe, wenn ich das sage. Aber ich kann nicht in einer solchen emotionalen Spannung leben. Es gibt Männer, die etwas Weibliches haben und genau das brauchen, daß man sie liebt. Es gibt aber auch andere, und die können Liebe höchstens ertragen. Ich bin so. Alle echten Männer sind prüde, das solltest du wissen.«
    »Was willst du«, fragte ich gequält, »was kann ich tun?«
    »Eine Art Bündnis mit mir eingehen«, sagte er, »wegen des Kindes. Damit wir zusammenbleiben können. Du weißt doch genau, was ich meine«, sagte er sehr ernst. »Nur du kannst helfen. Nur du kannst diese Bindung lockern. Wenn ich gehen wollte, ginge ich. Aber ich will nicht von dir weggehen, und vom Kind auch nicht. Ich bitte dich um mehr, um etwas Unmögliches vielleicht: daß wir zusammenbleiben, aber nicht so sehr, nicht so unbedingt, nicht so auf Leben und Tod. Denn das ertrage ich nicht. Es tut mir leid, aber ich ertrage es nicht«, sagte er höflich.
    Ich fragte etwas Dummes: »Warum hast du mich dann geheiratet?«
    Es war beängstigend, was er antwortete: »Als ich dich heiratete, wußte ich schon fast alles über mich selbst. Über dich hingegen wußte ich zuwenig. Ich habe dich geheiratet, weil ich nicht wußte, daß du mich so lieben würdest.«
    »Ist es ein Verbrechen?« fragte ich. »Ist es ein so großes Verbrechen, dich sehr zu lieben?«
    Er lachte. Er stand im Dunkeln, rauchte und lachte leise. Es war aber ein trauriges Lachen, gar nicht zynisch oder überheblich. »Schlimmer als ein Verbrechen«, sagte er. »Es ist ein Fehler.«
    Dann sagte er noch: »Diese Antwort habe nicht ich erfunden. Talleyrand sagte es, als er erfuhr, daß Napoleon den Herzog von Enghien hatte umbringen lassen. Es ist ein Gemeinplatz, wie du wahrscheinlich weißt«, fügte er freundlich hinzu.
    Was kümmerten mich Napoleon und der
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