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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Sándor Márai
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Mittel, um meinen Mann zur Liebe zu zwingen. Hätte ich das damals beichten wollen, ich hätte bis tief in die Nacht im Beichtstuhl bleiben können und doch keine Worte dafür gefunden. Er aber wußte es auch, ohne daß es gesagt wurde, und insgeheim, ganz innen, wußte auch ich es, selbst wenn mir die passenden Worte fehlten, denn damals konnte ich die Phänomene des Lebens noch nicht benennen … Die richtigen Worte kommen später, und man bezahlt sie grausam teuer. Damals waren die Worte noch bei Lázár. Eines Tages überreichte er sie mir, mit einer lockeren Geste, als würde er kurz einen Apparat bedienen oder ein Geheimfach öffnen. Damals aber hätten wir unsere Situation nicht zu besprechen gewußt. Um uns herum war alles in bester Ordnung. Das Baby wurde morgens vom Kindermädchen hereingebracht, hellblau und rosarot gekleidet. Mein Mann sprach zum Kind und zu mir, setzte sich dann in seinen Wagen und fuhr in die Fabrik. Abends aßen wir in der Stadt, oder wir hatten Gäste, die unser Glück feierten, das schöne Zuhause, die junge Mutter, das wunderschöne Kind, die sorglose Atmosphäre. Was mögen sie gedacht haben, wenn sie nach Hause gingen? … Ich glaube, ich weiß es. Die Dummen beneideten uns. Die Klugen und Sensiblen atmeten auf, wenn sie aus dem Tor unseres Hauses traten, und dachten: »Endlich allein …« Bei uns gab es die erlesenste Küche, seltene ausländische Weine, gedämpfte, gepflegte Unterhaltung. Bloß fehlte in alldem etwas, und die Gäste waren froh, wieder draußen zu sein. Auch meine Schwiegermutter traf jeweils mit feiner Verstörtheit ein und ging mit einer so seltsamen Hast wieder nach Hause. Das alles spürten wir, ohne es zu wissen. Oder mein Mann wußte es, er vielleicht schon … Aber es blieb ihm nichts anderes übrig, er mußte die Zähne zusammenbeißen und unerschütterlich glücklich sein.
    Ich ließ ihn innerlich nicht los, keinen Augenblick. Ich hielt ihn durch das Kind fest, erpreßte ihn wortlos mit meinem emotionalen Anspruch. Ob es zwischen den Menschen solche Kräfte gibt? … Nur solche gibt es. Jeder meiner Augenblicke gehörte dem Kind, aber nur, weil ich wußte: Solange das Kind da ist, so lange ist auch er da und gehört ganz mir. Gott verzeiht so etwas nicht. Man darf nicht lieben und eine Absicht damit verfolgen. Man darf nicht krampfhaft und ausgeklügelt lieben. Du sagst, nur so könne man lieben? … Nun ja, ich jedenfalls habe so geliebt.
    Wir lebten über dem Leben des Kindes, und wir kämpften miteinander. Lächelnd und höflich, leidenschaftlich und wortlos. Eines Tages geschah etwas. Ich wurde auf einmal müde, war an Händen und Füßen wie gelähmt. Denn auch ich verbrauchte in diesen Jahren mehr Kraft, als ich hatte, nicht nur er.
    Ich war müde, so wie man es beim Nahen einer Krankheit ist. Es war Frühherbst, vor vielen Jahren. Ein lauer, süßlicher Herbst. Das Kind war schon zwei vorüber, und es begann so interessant zu werden, so rührend eigenständig, eine Persönlichkeit … Eines Abends saßen wir im Garten. Das Kind war schon zu Bett gebracht worden.
    Mein Mann sagte: »Willst du für sechs Wochen verreisen, nach Meran?«
    Zwei Jahre zuvor hatte ich ihn gebeten, im Frühherbst mit mir nach Meran zu fahren. Ich bin abergläubisch, und ein bißchen Quacksalberei ist mir ebenfalls nicht fremd, ich glaubte also an jene Traubenkuren. Damals hatte er nicht gehen wollen und meine Bitte unter einem Vorwand abgewiesen. Ich wußte schon, daß er nicht gern mit mir reiste, weil er eine zu große Vertraulichkeit fürchtete, all die Tage, an denen zwei Menschen in der Fremde, im Hotelzimmer, nur füreinander leben. Zu Hause war die Wohnung zwischen uns, die Arbeit, die Gesellschaft, der Gang des Alltags. Aber jetzt wollte er zahlen, so gut er konnte.
    Wir fuhren nach Meran. Für die Zeit zog – genau so, wie es sich gehört – meine Schwiegermutter in unsere Wohnung. Um auf den Kleinen aufzupassen.
    Es war eine merkwürdige Reise. Hochzeitsreise, Abschied, Sichkennenlernen, Spießrutenlaufen, alles, was du willst. Er tat, was er konnte, um sich mir zu öffnen. Und eines muß ich sagen, Liebes, die Gesellschaft dieses Mannes war nie langweilig. Ich litt viel, starb fast daran, war von seiner Gegenwart manchmal wie vernichtet, wurde dann wieder neu geboren, aber langweilig war es für mich keinen Augenblick. Das nur nebenbei gesagt. Also, eben: Eines Tages fuhren wir nach Meran.
    Ein goldener Herbst, das große, rauschende Leben, die glanzvolle
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