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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Sándor Márai
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während sie, zwei erwachsene, intelligente Menschen, diesen Blödsinn von sich gaben. Am Ende verstand ich natürlich die Schattierungen des Spiels und machte bei diesem seltsamen Gesellschaftsvergnügen mit. Ich verstand aber auch noch etwas anderes.
    Ich verstand, daß mein Mann, von dem ich gedacht hatte, er sei ganz mein, mit Haut und Haar, wie man sagt, mit allen Geheimnissen seiner Seele, daß dieser Mann überhaupt nicht mein war, sondern ein Fremder, der durchaus Geheimnisse hatte. Es war, als hätte ich etwas über ihn erfahren, zum Beispiel daß er im Gefängnis gewesen war oder daß er sich krankhaften Leidenschaften hingab, etwas, das überhaupt nicht zu dem Bild paßte, das ich mir in den vorangegangenen Jahren im Herzen von ihm gemacht hatte. Ich verstand, daß mein Mann nur in einer bestimmten Hinsicht mein Vertrauter war, sonst aber ein so rätselhafter, fremder Mensch wie dieser Schriftsteller, den er auf der Straße aufgegabelt und mitgebracht hatte, um dann ein bißchen gegen mich und über meinen Kopf hinweg mit ihm ein aberwitziges, unverständliches Spiel zu spielen. Ich verstand, daß mein Mann noch eine andere Welt hatte, nicht nur die, in der ich mit ihm lebte.
    Und ich verstand, daß dieser Mensch, dieser Schriftsteller, Macht über die Seele meines Mannes besaß.
    Sag mir, was ist Macht? … Es wird so viel darüber geschrieben und geredet. Was ist politische Macht, woran liegt es, daß ein Mensch seinen Willen auf Millionen zu übertragen vermag? Und worin besteht unsere Macht, unsere weibliche Stärke? In der Liebe, sagst du. Mag sein. Ich habe hin und wieder meine Zweifel. Nein, ich leugne die Liebe nicht, gar nicht. Sie ist die größte Kraft auf Erden. Und doch habe ich manchmal das Gefühl, daß die Männer, die uns lieben, weil sie nicht anders können, die ganze Sache auch ein bißchen verachten. In jedem richtigen Mann ist eine Zurückhaltung, als würde er einen Bereich seines Wesens, seiner Seele vor der geliebten Frau verschließen, als würde er sagen: »Bis hierher, Liebes, und nicht weiter. Hier, im siebten Zimmer, will ich allein sein.« Die dummen Frauen regen sich darüber auf. Die klugen sind traurig, dann werden sie neugierig, und dann finden sie sich damit ab.
    Und was ist die Macht, die Macht eines Menschen über die Seele eines andern? Was für eine Macht hatte dieser unglückliche, unruhige, intelligente, furchterregende und doch auch unvollkommene, verletzte Mann, dieser Schriftsteller, über die Seele meines Mannes?
    Denn diese Macht besaß er, eines Tages erfuhr ich das, eine unheilvolle, unbedingte Macht. Viel später einmal sagte mein Mann, der Freund sei in seinem Leben der »Augenzeuge«. Er versuchte mir das zu erklären. Er sagte, im Leben eines jeden Menschen gebe es einen Augenzeugen, den man von Jugend auf kenne, und dieser andere sei stärker, und man setze alles daran, um das Schlechte, das in einem ist, vor diesem ungnädigen Richter geheimzuhalten. Der Augenzeuge glaubt einem nicht. Er weiß etwas, das andere nicht wissen. Man wird zum Minister ernannt, man bekommt den Nobelpreis, doch der Augenzeuge lächelt nur. Glaubst du das auch? …
    Und er sagte auch noch, man mache im Leben alles ein wenig mit Blick auf diesen Augenzeugen, er sei es, den man überzeugen, dem man etwas beweisen wolle. Die Karriere, die großen Anstrengungen des Lebens unternehme man vor allem seinetwegen. Kennst du die heikle Situation, wenn der junge Ehemann seiner Frau »den« Freund vorstellt, den großen Kumpel, und wie er dann aufgeregt die Wirkung beobachtet, ob die Frau dem Freund gefällt, ob er die Wahl billigt? … Der Freund gibt sich natürlich wichtigtuerisch zuvorkommend, aber insgeheim ist er immer eifersüchtig, denn in jedem Fall ist er es, der von der Frau aus einer Gefühlsbeziehung verdrängt wird, er, der Freund. So irgendwie sahen sie mich an jenem Abend. Nur war ihnen das auch weitgehend klar, denn die beiden wußten etliches, von dem ich damals noch keine Ahnung hatte.
    Immerhin hörte ich an dem Abend aus ihren Gesprächen heraus, daß diese beiden Komplizen, mein Mann und der Schriftsteller, über die Beziehungen zwischen Frauen und Männern, über die Beziehungen zwischen den Menschen etwas wußten, wovon mein Mann nie mit mir sprach. Als ob ich es nicht wert wäre, in alles eingeweiht zu werden.
    Sowie der seltsame Gast nach Mitternacht gegangen war, stellte ich mich vor meinen Mann hin und fragte ganz offen: »Du verachtest mich ein wenig, nicht
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