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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Sándor Márai
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solche Geheimnisse gibt es keine Antwort. Nur das Leben antwortet, manchmal auf völlig überraschende Art. Zuvor hatte ich von diesem Schriftsteller keine einzige Zeile gelesen. Sein Name war mir zwar ein Begriff, aber ich wußte nicht, daß mein Mann ihn persönlich kannte, daß sie Freunde waren. Eines Abends kam ich nach Hause, und da waren mein Mann und der Schriftsteller. Und etwas ganz Seltsames fing an. Es war der Augenblick, im dritten Jahr unserer Ehe, als mir zum erstenmal bewußt wurde, daß ich meinen Mann nicht kannte. Ich lebte mit einem Menschen zusammen und kannte ihn nicht. Hatte manchmal gedacht, alles von ihm zu wissen, und dann stellte sich heraus, daß ich von seinen wirklichen Freuden, Vorlieben und Sehnsüchten keine Ahnung hatte. Weißt du, was die beiden an jenem Abend machten? …
    Sie spielten.
    Aber auf eine so seltsame, beunruhigende Art!
    Sie spielten nicht etwa Rommé, keineswegs. Meinem Mann waren mechanische Vergnügungen wie das Kartenspiel sowieso zuwider. Vielmehr spielten sie ein so groteskes und ein bißchen unheimliches Spiel, daß ich anfangs kein Wort verstand und beklommen ihre Reden anhörte, als wäre ich unter Verrückte geraten. In der Gesellschaft dieses Menschen war mein Mann ganz verändert.
    Ich kam also im dritten Jahr unserer Ehe eines Abends nach Hause und fand im Wohnzimmer meinen Mann und einen fremden Herrn vor, der freundlich zu mir trat, auf meinen Mann deutete und sagte: »Grüß Gott, Ilonka. Du bist mir nicht böse, daß ich Péter mitgebracht habe, nicht wahr? …«
    Und er zeigte auf meinen Mann, der aufstand und mich verlegen ansah. Ich dachte, die sind verrückt geworden. Aber sie kümmerten sich nicht groß um mich.
    Der Fremde sagte noch, während er meinem Mann auf die Schulter klopfte: »Wir sind uns auf der Arénastraße begegnet. Stell dir vor, er wollte gar nicht stehenbleiben, der Trottel, er hat bloß gegrüßt und ist weitergegangen. Das habe ich natürlich nicht zulassen können. Ich habe zu ihm gesagt: ›Péter, alter Esel, du bist doch nicht etwa verstimmt?‹ Dann habe ich ihn am Arm gepackt und mitgebracht. Na, Kinder«, sagte er und breitete die Arme aus, »umarmt euch. Ich gestatte sogar ein Küßchen.«
    Du kannst dir denken, wie ich mich gefühlt habe. Mit Hut, Handschuhen und Tasche stand ich mitten im Zimmer wie ein benommenes Schaf und starrte die beiden an. Meine erste Regung war, zum Telephon zu laufen und den Hausarzt oder die Ambulanz zu rufen. Oder die Polizei.
    Doch da trat mein Mann zu mir, küßte mir verlegen die Hand und sagte mit gesenktem Kopf: »Es sei alles vergessen und vergeben, Ilonka. Ich freue mich, daß ihr zwei glücklich seid.«
    Dann setzten wir uns zum Abendessen an den Tisch. Der Schriftsteller saß an Péters Platz und gab Anweisungen, als wäre er der Hausherr. Mich duzte er. Das Dienstmädchen dachte natürlich auch, wir hätten den Verstand verloren, und ließ vor Schreck die Salatschüssel fallen. An dem Abend erklärten sie mir das Spiel nicht. Weil es gerade der Witz war, daß ich nichts begriff. So hatten sie es ausgemacht, als sie auf mich warteten, und sie spielten perfekt, wie zwei professionelle Schauspieler. Das Spiel ging so, daß ich mich schon vor vielen Jahren von Péter hatte scheiden lassen und diesen Schriftsteller, den Freund meines Mannes, geheiratet hatte. Péter war beleidigt auf und davon und hatte uns alles zurückgelassen, die Wohnung, samt Möbeln und allem. Jetzt war also der Schriftsteller mein Mann, und er hatte Péter auf der Straße angetroffen, ihn am Arm genommen und gesagt: »Jetzt sei doch nicht so, was geschehen ist, ist geschehen, komm zu uns zum Abendessen, auch Ilonka möchte dich gern wiedersehen.« Und so ist Péter mitgekommen. Und jetzt sind wir alle drei in der Wohnung beisammen, in der ich früher mit Péter gelebt habe, und wir sitzen freundschaftlich beim Abendessen, der Schriftsteller ist mein Mann, er schläft in Péters Bett, er hat in meinem Leben Péters Platz eingenommen … Verstehst du? Das spielten sie wie die Verrückten.
    Das Spiel hatte aber auch seine Feinheiten.
    Péter spielte, er sei gehemmt, weil ihn die Erinnerungen quälten. Der Schriftsteller spielte, er sei übertrieben locker, weil die Situation im Grunde auch ihn befangen machte und weil er Péter gegenüber Schuldgefühle hatte. Deshalb wäre er so laut und jovial. Ich spielte … nein, ich spielte gar nichts, ich saß bloß zwischen den beiden und starrte sie abwechselnd an,
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