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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Sándor Márai
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wahr?«
    Er sah mich durch den Rauch seiner Zigarette müde zwinkernd an, als habe er an einem Zechgelage teilgenommen und müßte sich jetzt in Katerstimmung meine Vorwürfe anhören. Tatsächlich hatte dieser Abend, da mein Mann zum erstenmal den Schriftsteller mitgebracht und mit ihm dieses komische Spiel gespielt hatte, einen übleren Nachgeschmack als eine durchzechte Nacht. Wir waren beide müde und auf eine irgendwie bittere Art bedrückt.
    »Nein«, sagte er ernst. »Ich verachte dich nicht, überhaupt nicht. Wie kommst du darauf? Du hast Verstand und starke Instinkte«, sagte er mit Nachdruck.
    Mir war das nicht geheuer. Wir saßen uns am abgeräumten Tisch gegenüber – statt nach dem Essen in den Salon hinüberzuwechseln, hatten wir den ganzen Abend am Tisch gesessen, zwischen Haufen von Zigarettenstummeln und leeren Flaschen, denn der Gast war ein »Tischsitzer« –, und ich sagte mißtrauisch: »Ich habe Verstand und Instinkte, ja. Aber wie denkst du über meinen Charakter und meine Seele?«
    Ich spürte, daß diese Frage ein bißchen pathetisch klang. Mein Mann schaute mich aufmerksam an. Aber er antwortete nicht.
    Als ob er sagen wollte: »Das ist mein Geheimnis. Begnüge dich damit, daß ich deinen Verstand und deine Instinkte anerkenne.«
    So irgendwie fing es an. An diesen Abend dachte ich noch lange.
    Der Schriftsteller kam selten zu uns. Auch mit meinem Mann traf er sich nicht oft. Aber wenn sie sich doch einmal begegnet waren, merkte ich es, so wie die eifersüchtigen Frauen an ihren Männern sofort den Duft eines flüchtigen Abenteuers ausmachen, den Parfumdunst spüren, der von einer weiblichen Berührung auf der Haut des Mannes zurückgeblieben ist. Selbstverständlich war ich auf den Schriftsteller eifersüchtig, und anfänglich lag ich meinem Mann in den Ohren, er solle ihn doch wieder einmal zum Essen mitbringen.
    Aber er wollte nicht und war verlegen. »Er geht nicht unter die Leute«, sagte er und blickte an mir vorbei. »Er ist ein Sonderling. Ein Schriftsteller. Er arbeitet.«
    Ich merkte aber, daß sie sich doch manchmal trafen. Ich sah sie zufällig von der Straße her in einem Kaffeehaus, und da spürte ich zum erstenmal einen krankhaften, wilden Schmerz, als verletzte mich jemand mit einem spitzen Gegenstand, mit einem Messer oder einer Nadel. Sie sahen mich nicht, denn sie saßen in einer Nische des Kaffeehauses, mein Mann sagte etwas, und sie lachten beide. Sein Gesicht war wieder so fremd, so anders als zu Hause, anders, als ich es kannte. Ich ging rasch weiter und spürte, daß ich blaß geworden war. Mir war ganz seltsam zumute.
    »Bist du verrückt«, dachte ich, »was willst du? … Dieser Mann ist sein Freund, ein berühmter Schriftsteller, ein merkwürdiger, intelligenter Mensch. Es ist nichts dabei, daß sie sich gelegentlich treffen. Was willst du von ihnen? … Warum klopft dein Herz? … Hast du Angst, daß sie dich nicht als dritte mitspielen lassen, bei einem ihrer bizarren Spiele? … Hast du Angst, daß sie dich für zuwenig intelligent oder gebildet halten? Bist wohl eifersüchtig?«
    Darüber mußte ich lachen. Aber das wilde Herzklopfen hörte nicht auf. Mein Herz raste wie damals, als ich den Kleinen erwartete und ins Sanatorium mußte. Ich lief weiter, so rasch ich konnte, mit dem Gefühl, daß sie mich betrogen, von etwas ausschlossen. Mein Verstand sah zwar alles ein und fand es in Ordnung. Mein Mann wollte nicht, daß ich diesen seltsamen Fremden traf, den nur er kannte, weil sie gemeinsam jung gewesen waren. Auch sonst war er ja nicht besonders mitteilsam. Und doch hatte ich das Gefühl, ein bißchen hereingelegt zu werden. An dem Abend kam mein Mann zu gewohnter Zeit nach Hause, und ich hatte immer noch Herzklopfen.
    »Wo warst du?« fragte ich, als er mir die Hand küßte.
    »Wo ich war?« Er blickte in die Luft. »Nirgends. Ich bin gleich nach Hause gekommen.«
    »Du lügst«, sagte ich.
    Er sah mich lange an. Dann sagte er gleichgültig, fast schon gelangweilt: »Stimmt. Das habe ich vergessen. Ich habe unterwegs Lázár getroffen. Wir sind in ein Kaffeehaus gegangen. Ja, das habe ich vergessen. Hast du uns dort gesehen?«
    Seine Stimme klang ehrlich, ruhig und erstaunt. Ich schämte mich.
    »Verzeih mir«, sagte ich. »Es ist ein ungutes Gefühl, nichts von diesem Menschen zu wissen. Ich glaube, er ist nicht wirklich dein Freund. Der meine auch nicht, nicht unser Freund. Laß ihn, geh ihm aus dem Weg«, bat ich.
    Mein Mann sah mich neugierig an:
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