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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Sándor Márai
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»Aber nein«, sagte er und rieb an seiner Brille herum, so sorgfältig wie immer, »Lázár braucht man nicht aus dem Weg zu gehen. Der drängt sich nicht auf.«
    Und er erwähnte diesen Menschen nicht mehr.
    Jetzt wollte ich aber alles wissen, was Lázár betraf. Ich las seine Bücher, ein paar fand ich in der Bibliothek meines Mannes, mit seltsamen handschriftlichen Widmungen versehen. Was an ihnen seltsam war? … Sie waren so … wie soll ich sagen … so ehrfurchtslos … nein, das ist nicht das richtige Wort … sie waren so merkwürdig höhnisch. Als ob der Autor den Adressaten der Widmung verachtete, aber auch seine eigenen Bücher und sich selbst, weil er diese Bücher schrieb. Da war etwas Herabsetzendes, Bitteres und Trauriges in diesen Widmungen. Etwas wie: »Ja, ja, ich kann nicht anders, aber ich identifiziere mich nicht damit.« Für mich waren bis dahin die Schriftsteller eine Art weltliche Priester. Und in seinen Büchern redete dieser Mann so ernst zur Welt! … Ich verstand nicht alles, was er schrieb. Es war, als würde er mich, die Leserin, nicht für wert befinden, alles zu erfahren … Übrigens war das etwas, worüber sowohl unter den Kritikern als auch unter den Lesern viel gesprochen wurde. Wie alle berühmten Leute wurde auch dieser Schriftsteller von vielen abgelehnt. Er selbst äußerte sich nie über seine Bücher oder über die Literatur. Hingegen wollte er alles wissen. Eines Abends kam er zu uns, und ich mußte ihm erklären, wie man Hasenpfeffer macht … Hast du schon so etwas gehört? … Ja, Hasenpfeffer. Ich mußte ihm alles sagen, und dann mußte auch noch die Köchin hereingerufen werden. Danach redete er, und zwar sehr interessant, von Giraffen. Er redete von allem möglichen, denn er wußte viel; bloß von der Literatur sprach er nie.
    Die spinnen alle ein wenig, sagst du? … So etwas dachte ich auch. Doch dann bin ich zur Überzeugung gelangt, daß die Sache, wie alles im Leben, nicht so einfach ist. Sie spinnen nicht, sondern sie sind unglaublich prüde.
    Und dann kam Lázár nicht mehr. Wir lasen nur noch seine Bücher und Artikel. Manchmal wurde er mit Politikern und berühmten Frauen in Zusammenhang gebracht, aber das war alles ziemlich vage. Die Politiker schworen, daß der große Mann ihrer Partei angehöre, die Frauen rühmten sich, das seltene wilde Tier an die Kette gelegt zu haben. Doch am Ende verkroch sich das wilde Tier in seine Höhle. Es vergingen Jahre, ohne daß wir ihn sahen. Was er in dieser Zeit tat? … Ich weiß es nicht. Er lebte. Las. Schrieb. Vielleicht zauberte er auch. Darüber will ich dann noch etwas sagen.
    Es vergingen fünf Jahre. Ich habe acht Jahre mit meinem Mann zusammengelebt. Der Kleine wurde im dritten Jahr geboren. Ein Junge, ja. Ich habe dir seine Photographie geschickt. Ein wunderschönes Kind, ich weiß. Dann habe ich nicht mehr geschrieben, weder dir noch sonst jemandem, ich lebte nur noch für das Kind. Es gab niemanden mehr für mich, weder in der Nähe noch in der Ferne. Man darf nicht so sehr lieben, niemanden darf man so sehr lieben, nicht einmal das eigene Kind. Jede Liebe ist wild gewordener Egoismus. Ja nun, als das Kind geboren wurde, brach unser Briefwechsel ab. Du warst meine einzige Freundin, aber auch dich brauchte ich nicht mehr. Die zwei Jahre mit dem Kind waren das Glück auf Erden, eine Art ekstatischer Ruhe und Besorgtheit. Ich wußte, daß das Kind nicht lange leben würde. Woher ich das wußte? … So etwas weiß man einfach. Wir spüren alles, unser ganzes Schicksal. Ich wußte, daß ein solches Glück, so viel Schönheit und Liebe, wie dieser kleine Junge in sich vereinte, mir nicht zukamen. Ich wußte, daß er sterben würde. Schilt mich nicht, verdamm mich nicht. Ich weiß es besser. Doch jene zwei Jahre waren das Glück. Er starb an Scharlach. Drei Wochen nach seinem zweiten Geburtstag, im Herbst.
    Sag, warum sterben kleine Kinder? Hast du je darüber nachgedacht? Ich nämlich schon, viel und oft. Aber Gott antwortet nicht auf solche Fragen.
    Ich habe im Leben nichts zu tun, also denke ich darüber nach. Ja, auch jetzt noch. Solange ich lebe. Diesen Schmerz überwindet man nie. Der Tod eines Kindes, das ist der einzige echte Schmerz. Jeder andere Schmerz ist nur eine Annäherung. Du kennst das nicht, ich weiß. Und siehst du, ich weiß gar nicht, ob ich dich dafür beneiden oder bemitleiden soll … Ich glaube, ich bemitleide dich.
    Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn nicht im dritten Jahr das
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