Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
reißen, sondern zusätzlich Korinth und somit die Peloponnes vom Hauptlieferanten der eingeführten Nahrungsmittel abschneiden. Korinth wäre damit erledigt und müßte sich uns anschließen, die Peloponneser verlören gleichzeitig ihre Nahrungsversorgung und ihre Flotte, und mit der uneingeschränkten Herrschaft über das Meer und dem Isthmos von Korinth in unserer Hand könnten wir sie einfach verhungern lassen.
    Schließlich sei Sizilien für uns kein unbekanntes Land mehr, fuhren sie fort, da wir dort erst vor ein paar Jahren einige Schlachten geschlagen hätten. Stimmt, diese seien zwar nicht sonderlich erfolgreich verlaufen, von einem Scheitern könne aber gleichfalls nicht die Rede sein; außerdem seien die damals von uns ausgesendeten Truppen zu klein und schlecht ausgerüstet gewesen und von Dummköpfen wie Laches geführt worden. Nun hielten einige Leute dagegen, Syrakus sei eine große Stadt, mächtig und gut bewaffnet; aber diese Leute würden in der Vergangenheit leben, in der Zeit der Perserkriege. Damals, als die Tyrannen Gelon und Hieron noch an der Macht gewesen seien, habe das gestimmt, und zu jener Zeit sei die Stärke der sizilianischen Städte der aller anderen Griechen zusammen durchaus gleichwertig gewesen. Aber mittlerweile hätten sie sich in Kriegen mit den Karthagern 404
    selbst aufgerieben, und die Tyrannen in Syrakus seien abgesetzt und durch eine wacklige Demokratie abgelöst worden, die sich mit dem Adel in einem ständigen Kampf um die Herrschaft über die Stadt befinde. Bei zwei Parteien, die wir in einer Art und Weise gegeneinander ausspielen könnten, wie sie keine Nation der Welt besser beherrsche als die unsere, werde es uns mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gelingen, die Herrschaft über Syrakus zu erringen, was in Wirklichkeit die Herrschaft über Sizilien bedeute, ohne eine einzige Schlacht austragen zu müssen.
    Diese Argumente wurden zu einer Zeit vorgebracht, als das Bedürfnis, etwas zu unternehmen, seinen Höhepunkt erreicht hatte. Ohne sie, so glaube ich, wäre die Erregung verflogen – es hätte irgendeinen Skandal oder eine Krise gegeben, und die Welt westlich von Piräus wäre vollkommen vergessen worden –, doch dadurch, daß man den bislang verschwommenen Vorstellungen innerhalb der Bevölkerung eine realistische Form gab, konnten die Verfechter des Sizilienprojekts die Träume der Athener vor ihren Karren spannen, wie einst Aiolos die vier Winde in einem Schlauch einschloß.
    Natürlich gab es Leute, die dieser Idee entgegentraten, aber die meisten von ihnen waren Liebhaber des gesprochenen Wortes, die nur etwas ablehnten, um eine interessante Debatte hervorzurufen. Selbstverständlich waren sie nicht um Argumente verlegen, denn so etwas ist einem Athener fremd. Einige von ihnen riefen die Entsendung der großen Streitmacht nach Ägypten in Erinnerung. Das war kurz nach den Perserkriegen, als wir 405
    den Großteil unseres Heers und unserer Flotte entsandten, um Inaros und Amyrtaios, den Königen in den Sumpfgebieten, gegen die Perser zu helfen. Die Beweggründe sind fast genau die gleichen gewesen, nur war damals Persien der Feind. Durch die Einnahme von Ägypten, so wurde seinerzeit argumentiert, würden wir nicht nur die Herren über das reichste Land der Welt werden und die gewaltige ägyptische Flotte unserer eigenen einverleiben, sondern auch die Perser von ihrer wichtigsten Nahrungsquelle abschneiden. Danach brauchten wir nur noch, mit Ägypten als Stützpunkt, in den Osten einfallen, dem Großkönig sein Zepter aus der Hand nehmen und mit diesem unsere wahren Feinde, die Spartaner, in den Staub treten. Die Wirklichkeit sah so aus, daß die gesamte Streitmacht, also sowohl das Heer als auch die Flotte, in der größten Katastrophe, die jemals über die Athener hereingebrochen war, vernichtet wurde.
    Aber das könne man nicht miteinander vergleichen, lautete das Gegenargument. Damals seien wir gegen das gesamte Perserreich angetreten, wohingegen wir nun vorhätten, uns lediglich mit ein oder zwei Städten zu befassen. Damals hätten wir gegen einen Binnenstaat gekämpft, und unsere Flotte sei dabei von keinem großen Nutzen gewesen, wohingegen wir heute nur gegen eine Insel auslaufen würden. Damals seien unsere einzigen Verbündeten zwei räuberische Oberhäupter und unser Feind das bestorganisierte Regierungssystem gewesen, das die Welt je gesehen habe, wohingegen wir heute reiche und zuverlässige Verbündete in dem Land hätten, in das wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher