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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
Autoren: Tom Holt
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Dummkopf?«
    »Weil dein Vater keinen geeigneten Ehemann für dich finden konnte«, antwortete ich. »Erinnerst du dich nicht?«
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    »Ach, komm her«, sagte sie sanft. »Nein, nicht so, wenn mein Onkel an der Tür lauscht und mein Gesicht voller Knochensplitter ist. Komm einfach her.«
    Am nächsten Tag fuhren wir in Parmenides’ Karren in die Stadt zurück, und den ganzen Weg über stritten wir uns.
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    14. KAPITEL
    ein Sohn Eutychides (›Sohn eines glücklichen M Mannes‹ – Phaidras Idee) wurde gut neun Monate später geboren, und zwar im selben Jahr, da Alkibiades zum zweitenmal zum Heerführer gewählt wurde. Er war ein kränkliches kleines Kind, obwohl er nicht das idiotische Grinsen seiner Eltern geerbt hatte, und niemand rechnete damit, daß er länger als eine Woche leben würde.
    Aber er schaffte es, und kaum sah er kräftig genug aus, um durchzuhalten, besorgten wir ihm die beste Amme, die man für Geld bekam.
    Natürlich stritten sich Phaidra und ich seit dem Tag, da Eutychides geboren wurde, erbittert über ihn. Ich war unbedingt dafür, daß er wie sein Vater auf dem Land aufwuchs, zwischen Ziegen und Olivenbäumen, weit weg von den Marotten und Modeströmungen der Stadt. Mein Argument war, er könne auf diese Weise später selbst entscheiden, ob er in Athen wohnen und am Stadtleben teilnehmen wolle, zumal ein Mensch, der in der Stadt aufgewachsen sei, sich auf dem Land nie richtig zu Hause fühle. Er habe nie gelernt, Augen und Ohren zu benutzen, und wisse auch seine Nachbarn nie richtig zu schätzen.
    Doch Phaidra entgegnete, ich könne tun, was ich wolle, ihr Sohn werde auf jeden Fall als Reiter aufgezogen, mit einer ordentlichen Erziehung in höflichem Umgang, um eines Tages Heerführer zu werden. Wir schlossen einen Kompromiß: Sie sollte ihren Willen haben und als 396
    Gegenleistung mich deswegen nicht anschreien. Wie Sie sich denken können, fiel seine Erziehung in Wirklichkeit dann ganz anders aus.
    Nun, einerseits hatten wir mit Sparta theoretisch immer noch Frieden, andererseits lagen wir mit allen anderen anscheinend im Krieg. Dabei handelte es sich allerdings um jene Art von Krieg, die niemandem sonderlich weh zu tun schien – das heißt, er spielte sich gänzlich außerhalb Attikas ab, so daß wir in Ruhe und Frieden das Land bebauen konnten, während es für jedermann, der sie brauchte, Arbeit in Hülle und Fülle gab, insbesondere für die Flotte. Immer noch wurde jedes Jahr die staatliche Begräbnisfeier für die schwerbewaffneten Fußsoldaten abgehalten, die im Einsatz gefallen waren, und genauso regelmäßig verlor ich zum wiederholten Male fünfzehn oder gar zwanzig Männer, die ich inzwischen als Freunde betrachtet hatte. Auf der anderen Seite erbte ich als nächster noch lebende Erbe irgendeines toten Vetters weitere dreißig Morgen Land, die mich einmal gefährlich nahe an die Fünfhundert-Scheffel-Grenze brachten. Den Großteil meines Vermögens habe ich somit der Pest oder dem Krieg zu verdanken und ihn mir dennoch ehrlich erworben. Vielleicht ist das der Grund, warum ich nie so nach Geld und Reichtum gestrebt habe wie andere Menschen – ich habe einfach weitergelebt, und die Götter haben mich mit Blumen bekränzt. Da ich jedoch nicht reich geboren bin, habe ich nie den Drang verspürt, noch reicher zu werden. Meine Versuche, den Ertrag meines Landes zu steigern, entsprangen eher einem natürlichen Trieb als irgend etwas anderem. Schließlich bin ich weder ein 397
    Korinther, noch liebe ich Persien oder brauche Geld für eine politische Laufbahn – ich wünsche mir eben nicht allzu viel, das man für Geld kaufen kann.
    Schließlich und endlich hatte Athen die Folgen der Pest hinter sich gelassen. Das Tributgeld vom Bund traf jedes Jahr pünktlich ein – und jedesmal begab ich mich in die Stadt, um die Tributlisten zu lesen, wobei ich an das kleine Heiligtum auf Samos dachte –, während die direkt in Attika erzeugten Agrarprodukte, obwohl noch immer unter dem Stand der Vorkriegsproduktion, uns nach den Kriegsjahren wie eine unerwartete Zugabe vorkamen. Kluge Köpfe behaupteten, der Boden habe nach Jahren der viel zu intensiven Nutzung diese ausgiebige Erholungspause, wie sie ihm die Spartaner unbeabsichtigt gewährt hatten, dringend gebraucht. In einigen Gegenden des Landes war die Rede von Erträgen mit mehr als hundert Litern Wein pro Morgen, was man seit den Zeiten des Tyrannen Peisistratos nicht mehr gehört hatte, und kaum trugen die jungen Reben, die wir
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