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Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Walled Orchard 01: Der Ziegenchor

Titel: Walled Orchard 01: Der Ziegenchor
Autoren: Tom Holt
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gewesen und von ihm geplant und organisiert worden war.
    Schließlich gehe Alkibiades immer auf Feiern und betrinke sich, sagten die Menschen, und Leute, die sich betrinken, zerschlügen auch Statuen. Daraus folge, wie die Nacht auf den Tag folge, daß Alkibiades entweder allein oder mit Komplizen die Statuen zerschlagen haben müsse.
    Nun wußte ich ganz genau, daß er es nicht getan hatte, aber selbst ich bin nicht so dumm, in solch einem Moment den Mund aufzumachen, und schwieg deshalb lieber.
    Schließlich hegte ich für den Mann keine große Liebe, und in Anbetracht seiner Laufbahn bis zu jenem Tag war es eigentlich unumgänglich, daß er früher oder später hingerichtet werden würde, warum also nicht gleich?
    Außerdem bin ich ein Athener und muß von daher immer jemanden finden, auf den ich die Schuld für meine Mißgeschicke schieben kann; und ich glaube, tief im Innern habe ich Alkibiades die Schuld gegeben – wäre von ihm nicht der Feldzug organisiert worden, hätte es für mich auch keine Flotte gegeben, mit der ich nicht hatte auslaufen dürfen. Natürlich war dieses Vorgehen falsch, aber dafür sollte ich später noch reichlich bestraft werden.
    421
    Jedenfalls steckten die Athener in einem Dilemma –
    klagten sie Alkibiades nicht wegen Hochverrats an, konnten sie ihn nicht wegen Gotteslästerung hinrichten; taten sie es aber doch, würde es kein Sizilienprojekt geben, und alle müßten an die Arbeit zurückkehren. In der Volksversammlung gab es darüber eine hitzige Debatte, in der jeder jeden als Monarchisten beschimpfte und beschuldigte, Flottengeheimnisse an die Perser verraten zu haben, und letzten Endes kam man zu einem athenischen Kompromiß. Alkibiades sollte zunächst die Flotte zu Eroberung und Ruhm nach Sizilien führen, und erst nach seiner Rückkehr sollte er wegen Gotteslästerung vor Gericht gestellt werden. Dadurch hätten seine Gegner reichlich Zeit, die erforderlichen Zeugen zu kaufen, und alles könne sich auf zwei Hochgenüsse freuen statt auf einen.
    Klingt das so, als würde ich Athen und dieses Ungeheuer hassen, das wir Demokratie zu nennen gewohnt waren? Das tue ich nicht. Ich glaube, ich empfand zu jener Zeit für meine Stadt dieselben verworrenen Gefühle wie für Phaidra; selbst wenn sie sich ganz schrecklich benahm, zog sie mich vollkommen in ihren Bann, und ich hätte auf keinen Fall eine andere Stadt oder eine andere Frau haben wollen, nicht einmal für all den Reichtum des Königs Gyges. Mein ganzes Leben lang habe ich die Festspiele geliebt, wo auf drei Tragödien eine Komödie folgt und sich Tragik und Komik im Kopf vermischen, bis man sie kaum noch auseinanderhalten kann. Nun, ich bin ein Verehrer der Komödie: Ich glaube absolut an sie, als sei sie der Sinn des Lebens und der Menschheit, und ich glaube, daß Zeus wie 422
    ich denkt, denn das ist die einzig mögliche Erklärung, die mir für die meisten Dinge einfällt, die geschehen. Deshalb sondere ich die Komödie ab, trenne sie wie Weizen von der Spreu, und lasse alles andere vom Wind wegblasen. Jetzt verraten Sie mir bitte, in welchem der ganzen Königreiche auf der Welt Zeus und ich eine großartigere Komödie vorfinden könnten als in Athen, wo die Menschen ihre Angelegenheiten in der Art zu handhaben pflegten, wie ich sie Ihnen beschrieben habe? Und welche von all den kleinen Komödien Athens könnte besser sein als die Komödie von dem häßlichen Eupolis und seiner häßlichen Frau?
    Dexitheos, der Buchhändler, ein Mann von Geschmack und Urteilskraft, sagt mir gerade, daß ich an dieser Stelle Schluß machen sollte. Dieser erste Abschnitt meines Lebens, so findet er, bildet eine in sich abgeschlossene Geschichte – so, wie sich Athen vor dem Niedergang darstellte. Er meint, daß ich in dem bislang Geschriebenen Tragödie und Komödie so vollkommen miteinander verschmolzen habe, daß jedes noch hinzugefügte Wort ein Beweis gotteslästerlicher Undankbarkeit gegenüber den Musen sei, von denen ich bis jetzt so offensichtlich inspiriert worden sei. Deshalb sollte der nächste Teil meiner Erzählung, der sich mit dem befaßt, was wirklich geschah, als wir nach Sizilien kamen, am besten gesondert veröffentlicht werden. Nun, ich habe Dexitheos schon gekannt, als die Löcher in seinen Ohren noch nicht einmal verheilt waren und ihn alle nur für einen profitgierigen Exsklaven hielten, und darum kann ich ehrlich behaupten, daß sein mir in dieser Angelegenheit gegebener Rat in 423
    keiner Hinsicht durch die
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