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Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Wallander 10 - Wallanders erster Fall

Titel: Wallander 10 - Wallanders erster Fall
Autoren: Henning Mankell
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Wutausbruch angebracht wäre. Aber er war sich mit sich selbst nicht einig, wem er eigentlich einen Vorwurf machen konnte. Es war eine unglückliche Verkettung von Irrtümern und Mißverständnissen, die leicht ein sehr böses Ende hätte nehmen und mehr Opfer hätte fordern können als nur den Hund. Nun war es anders gekommen. Aber viel hatte nicht gefehlt.
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Zu leben hat seine Zeit, zu sterben hat seine Zeit,
dachte Wallander. Diese Beschwörungsformel trug er mit sich herum, seit er vor vielen Jahren in Malmö mit einem Messer verletzt worden war. Jetzt war er wieder nah dran gewesen.
    Rydberg betrat den Eßraum.
    »Rolf Nyman kommt durch«, sagte er. »Du hast ihn nur leicht verletzt. Er wird keine bleibenden Schäden davontragen. Die Ärzte meinen, wir könnten schon morgen mit ihm sprechen.«
    »Ich hätte ihn genausogut verfehlen können«, antwortete Wallander. »Oder ihn mitten zwischen die Augen treffen. Ich bin ein miserabler Schütze.«
    »Das sind die meisten Polizisten«, sagte Rydberg.
    Wallander schlürfte den heißen Kaffee.
    »Ich habe mit Nyberg gesprochen«, fuhr Rydberg fort. »Er meinte, die Waffe könnte mit der übereinstimmen, mit der die Schwestern Eberhardsson und Holm getötet wurden. Außerdem haben die Kollegen Holms Wagen gefunden. Er war in einer Straße in Sjöbo geparkt. Vermutlich hat Nyman ihn dort abgestellt.«
    »Etwas ist also aufgeklärt«, sagte Wallander. »Aber wir haben immer noch keine Ahnung, was eigentlich hinter dem Ganzen steckt.«
    Rydberg hatte darauf natürlich keine Antwort.
     
    Es sollte mehrere Wochen dauern, bis sie sich ein klares Bild machen konnten. Aber als Nyman anfing zu reden, konnte die Polizei eine gut aufgebaute Organisation ausheben, die große Mengen von harten Drogen nach Schweden einführte. Die Schwestern Eberhardsson waren Nymans gutbürgerliche Tarnung gewesen. Sie organisierten in Spanien die Annahme des Rauschgifts, das von Produzenten in Mittelamerika und Asien stammte und mit Fischerbooten ins Land kam. Holm war Nymans rechte Hand gewesen. Zu irgendeinem Zeitpunkt, den sie nie genau feststellen konnten, hatten Holm und die Schwestern Eberhardsson sich in ihrer Habgier vereint und beschlossen, Nyman herauszufordern. Als er merkte, was los war, schlug er zurück. Gleichzeitig war das Flugzeugunglück geschehen. Das Rauschgift war über Marbella nach Norddeutschland transportiert worden. Von einer privaten |423| Landebahn bei Kiel hatten dann die nächtlichen Flüge nach Schweden begonnen. Dorthin war das Flugzeug auch zurückgekehrt, bis auf dieses letzte Mal. Die Havariekommission hatte die Absturzursache nicht feststellen können. Aber vieles sprach dafür, daß das Flugzeug in äußerst schlechtem Zustand war und daß mehrere Faktoren zusammengekommen waren.
    Wallander führte selbst die ersten Verhöre mit Nyman durch. Aber als zwei andere brutale Morde geschahen, mußte er den Fall abgeben und die neue Ermittlung übernehmen. Von Anfang an war ihm klargewesen, daß Rolf Nyman nicht die Spitze der Pyramide war, die er gezeichnet hatte. Über Nyman gab es noch andere, Investoren, unsichtbare Männer, die hinter der Fassade einer unbescholtenen bürgerlichen Existenz dafür sorgten, daß der Zufluß von Rauschgift nach Schweden nicht unterbrochen wurde.
    An manchen Abenden dachte Wallander an die Pyramiden. An die Spitze, auf die sein Vater zu klettern versucht hatte. Wallander sagte sich, daß dieses Klettern wie ein Symbol für seine eigene Arbeit war. Er kam nie ganz ans Ziel. Immer gab es welche, die so hoch oben saßen und so unerreichbar waren, daß man ihnen niemals beikommen würde.
    Aber an diesem Morgen des 7.   Januar 1990 war Wallander nur müde.
    Um halb sechs Uhr hatte er keine Kraft mehr. Ohne ein Wort, außer zu Rydberg, fuhr er nach Hause in die Mariagata. Er duschte und kroch ins Bett, konnte aber nicht einschlafen. Erst nachdem er in einer vergessenen Packung im Badezimmerschrank eine Schlaftablette gefunden hatte, fiel er in Schlaf und wachte erst um zwei Uhr am Nachmittag wieder auf.
    Den Rest des Tages verbrachte er im Polizeipräsidium und im Krankenhaus. Björk erschien und gratulierte Wallander zu seinem Einsatz. Wallander antwortete nicht. Er hatte das Gefühl, das meiste falsch gemacht zu haben. Es war ihrem Glück, nicht ihrem Geschick zu verdanken, daß sie Rolf Nyman am Ende gefaßt hatten.
    Dann hatte er ein erstes Gespräch mit Nyman im Krankenhaus geführt. Der Mann war blaß, aber gefaßt gewesen.
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