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Wallander 08 - Die Brandmauer

Wallander 08 - Die Brandmauer

Titel: Wallander 08 - Die Brandmauer
Autoren: Henning Mankell
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vorgestellt? Auf jeden Fall nicht wie die Person, die er jetzt vor sich hatte. Sonja Hökberg saß auf einem Stuhl im Vernehmungszimmer. Sie war klein, wirkte dünn, fast durchsichtig. Sie hatte halblanges blondes Haar und blaue Augen. Wie eine Schwester des Jungen auf der Kaviartube, fand Wallander. Eine Schwester von Kalle, dachte er. Kindlich, lebensfroh. Aber alles andere als eine Wahnsinnige, die einen Hammer unter der Jacke oder in ihrer Handtasche versteckt hat.
    Wallander hatte den Anwalt des Mädchens im Flur begrüßt.
    »Sie ist sehr gefaßt«, sagte der Anwalt. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob ihr klar ist, unter welchem Verdacht sie steht.«
    »Sie steht nicht unter Verdacht«, sagte Martinsson mit Nachdruck. »Sie hat gestanden.«
    »Der Hammer?« fragte Wallander. »Haben wir den gefunden?«
    »Er lag in ihrem Zimmer unterm Bett. Sie hatte nicht einmal das Blut abgewischt. Aber das zweite Mädchen hat das Messer fortgeworfen. Wir suchen noch danach.«
    Martinsson ging. Wallander betrat zusammen mit dem Anwalt das Vernehmungszimmer. Das Mädchen betrachtete sie neugierig. Sie wirkte kein bißchen nervös. Wallander nickte und setzte sich. Ein Tonbandgerät stand auf dem Tisch. Der Anwalt setzte sich so, daß Sonja Hökberg ihn sehen konnte. Wallander betrachtete sie lange. Sie erwiderte seinen Blick.
    »Hast du einen Kaugummi?« fragte sie plötzlich.
    Wallander schüttelte den Kopf Er blickte Lötberg an, der auch den Kopf schüttelte.
    »Wir werden sehen, ob wir einen Kaugummi besorgen können«, sagte Wallander und schaltete das Tonbandgerät ein. »Aber vorher werden wir miteinander reden.«
    |39| »Ich habe schon gesagt, wie es war. Warum kann ich keinen Kaugummi kriegen? Ich bezahle dafür. Ich sage nichts, wenn ich keinen Kaugummi kriege.«
    Wallander zog das Telefon heran und rief in der Anmeldung an. Ebba bekommt das bestimmt hin, dachte er. Aber als sich eine fremde Frauenstimme meldete, fiel ihm ein, daß Ebba nicht mehr da war. Sie war in Pension gegangen. Obwohl es schon über ein halbes Jahr her war, hatte Wallander sich noch nicht daran gewöhnt. Die neue Kollegin in der Anmeldung hieß Irene und war um die Dreißig. Sie war vorher Arztsekretärin gewesen und hatte sich schon nach kurzer Zeit im Polizeipräsidium viele Sympathien erworben, aber Wallander vermißte Ebba.
    »Ich brauche einen Kaugummi«, sagte Wallander. »Weißt du, wer Kaugummi kaut?«
    »Ja, weiß ich«, erwiderte sie. »Ich selbst.«
    Wallander legte auf und ging zur Anmeldung.
    »Ist es das Mädchen?« fragte Irene.
    »Du schaltest schnell«, sagte Wallander.
    Er kehrte ins Vernehmungszimmer zurück und gab Sonja Hökberg den Kaugummi. Er hatte vergessen, das Tonbandgerät auszuschalten.
    »Dann fangen wir an«, sagte er. »Es ist der 6.   Oktober 1997, sechzehn Uhr fünfzehn. Vernehmung von Sonja Hökberg durch Kurt Wallander.«
    »Soll ich das gleiche noch mal erzählen?« fragte das Mädchen.
    »Ja. Und du sollst so deutlich sprechen, daß es im Mikrophon zu hören ist.«
    »Ich habe doch schon alles gesagt.«
    »Es kann sein, daß ich ein paar weitere Fragen habe.«
    »Ich habe keine Lust, alles noch mal zu sagen.«
    Wallander kam für einen Moment aus dem Konzept. Es war ihm unbegreiflich, daß sie keine Spur von Unruhe oder Nervosität erkennen ließ. »Darum kommst du wohl nicht herum«, sagte er. »Du bist angeklagt, ein sehr schweres Verbrechen begangen zu haben. Und du hast gestanden. Dir wird schwere Körperverletzung vorgeworfen. Und weil es dem Taxifahrer sehr schlecht geht, kann es noch schlimmer kommen.«
    |40| Lötberg blickte Wallander mißbilligend an, sagte aber nichts.
    Wallander begann von vorne.
    »Du heißt also Sonja Hökberg und bist am 2.   Februar 1978 geboren.«
    »Ich bin Wassermann. Und du?«
    »Das tut hier nichts zur Sache. Du sollst nur auf meine Fragen antworten. Sonst nichts. Ist das klar?«
    »Ich bin doch nicht blöd.«
    »Du wohnst mit deinen Eltern im Trastväg 12 hier in Ystad.«
    »Ja.«
    »Du hast einen jüngeren Bruder, der Emil heißt, geboren 1982.«
    »Der sollte hier sitzen. Nicht ich.«
    Wallander sah sie fragend an. »Wieso?«
    »Wir haben ständig Zoff. Er geht immer an meine Sachen. Schnüffelt in meinen Schubladen herum.«
    »Jüngere Geschwister sind sicher manchmal anstrengend. Aber ich glaube, das lassen wir hier erst einmal beiseite.«
    Immer noch genauso ruhig, dachte Wallander. Er spürte, daß ihre Unberührtheit ihn abstieß. »Kannst du mir erzählen,
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