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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin
Autoren: Henning Mankell
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möglichen Käufern zu zeigen.
    Als sie Erikslund passiert hatte, fuhr sie auf den Seitenstreifen und kontrollierte die Wegbeschreibung der Witwe. Sie stellte fest, daß sie richtig gefahren war. Sie bog nach links ab, in die hügelige Straße nach Krageholm, die sich anmutig durch den Wald schlängelte. Durch die Laubbäume glitzerte der See. Sie war diesen Weg viele Male gefahren, aber er würde ihr niemals langweilig werden.
    Nach ungefähr sieben Kilometern begann sie, nach der letzten Abzweigung Ausschau zu halten. Die Witwe hatte sie als einen Traktorweg beschrieben, ohne Schotterbelag, aber voll befahrbar. Sie bremste, als sie die Abfahrt erreicht hatte, und bog rechts ab. Das Haus sollte nach etwa einem Kilometer zur Linken liegen.
    Nach drei Kilometern endete der Weg plötzlich, und ihr wurde bewußt, daß sie sich doch verfahren hatte. Für einen Augenblick war sie wieder versucht, direkt nach Hause zu fahren. Aber sie verwarf den Gedanken und wendete, um zur Straße nach Krageholm zurückzukehren. Ungefähr fünfhundert Meter weiter nördlich bog sie erneut nach rechts ab. Aber auch hier fand sich kein Haus, auf das die Beschreibung paßte. Sie seufzte, wendete und beschloß, sich nach dem Weg zu erkundigen. Kurz zuvor war sie an einem Haus vorbeigekommen, das hinter einer dichten Baumgruppe lag.
    Sie hielt an, schaltete den Motor ab und stieg aus. Die Bäume rochen frisch. Sie ging auf das Haus zu, eines vom schonischen Typ, weiß gestrichen. Es hatte jedoch nur einen Giebel. Mitten auf dem Hof stand ein Brunnen mit einer schwarzgestrichenen Pumpe. Sie zögerte. Das Haus wirkte völlig verlassen. Vielleicht sollte sie doch lieber nach Hause fahren und hoffen, daß die Witwe es nicht übelnahm.
    Ich kann wenigstens anklopfen, dachte sie. Das kostet nichts.
    Bevor sie das Haus erreichte, kam sie an einem großen, rotgestrichenen Nebengebäude vorbei. Sie konnte der Versuchung |29| nicht widerstehen, einen Blick durch die halb geöffneten hohen Türen zu werfen.
    Was sie sah, wunderte sie. In dem Gebäude standen zwei Autos. Sie kannte sich in dieser Beziehung nicht besonders gut aus. Aber zweifellos handelte es sich um einen äußerst teuren Mercedes und einen nicht minder wertvollen BMW.
    Jemand ist also zu Hause, dachte sie und setzte ihren Weg fort, hinauf zu dem weißgekalkten Haus.
    Jemand, der eine Menge Geld haben muß.
    Sie klopfte an die Tür, aber nichts geschah. Sie klopfte noch einmal, diesmal etwas lauter, erhielt jedoch wiederum keine Antwort. Sie versuchte, durch ein Fenster neben der Tür in das Haus hineinzuschauen, aber die Gardinen waren zugezogen. Sie klopfte ein drittes Mal, bevor sie um das Haus herumging, um festzustellen, ob es eine Hintertür gab.
    Sie kam in einen verwilderten Obstgarten. Die Apfelbäume waren gewiß zwanzig, dreißig Jahre nicht mehr geschnitten worden. Unter einem Birnbaum standen einige halbverrottete Gartenmöbel. Eine Elster flatterte auf. Sie sah keine Tür und kehrte zur Frontseite des Hauses zurück.
    Einmal klopfe ich noch, dachte sie. Wenn keiner aufmacht, fahr ich nach Ystad zurück. Ich habe immer noch Zeit, ein Weilchen am Meer zu verbringen, bevor ich nach Hause muß, um das Abendessen vorzubereiten.
    Sie wummerte kräftig gegen die Tür.
    Wieder keine Antwort.
    Sie hörte nicht, sie ahnte nur, daß jemand den Hof hinter ihr betreten hatte. Hastig drehte sie sich um.
    Der Mann war ungefähr fünf Meter von ihr entfernt. Er stand regungslos und beobachtete sie. Er hatte eine Narbe auf der Stirn.
    Plötzlich bekam sie Angst.
    Woher war er gekommen? Warum hatte sie ihn nicht gehört? Der Hof war mit Schotter ausgelegt. Hatte er sich herangeschlichen?
    Sie ging ihm einige Schritte entgegen und versuchte, ganz normal zu klingen. »Entschuldigung, wenn ich störe«, sagte sie. |30| »Ich bin Immobilienmaklerin und habe mich verfahren. Ich wollte nur nach dem Weg fragen.«
    Der Mann antwortete nicht.
    Vielleicht war er kein Schwede, vielleicht verstand er nicht, was sie sagte. Etwas Fremdes war in seinem Aussehen, er konnte wirklich Ausländer sein.
    Plötzlich war ihr klar, daß sie in Gefahr war. Der regungslose Mann mit seinen kalten Augen machte ihr angst.
    »Ich will nicht länger stören«, sagte sie. »Entschuldigung, daß ich hier so eingedrungen bin.«
    Sie wollte loslaufen, blieb aber sofort wieder stehen. Der regungslose Mann war plötzlich lebendig geworden. Er zog etwas aus seiner Jackentasche. Zuerst konnte sie nicht erkennen, was es war. Dann
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