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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin
Autoren: Henning Mankell
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hatte die wirtschaftliche Situation des jungen Paares akribisch studiert. Im Unterschied zu vielen anderen hatten sie eine Verschuldung durch gedankenlose Kreditkartenkäufe vermieden. Und die junge Hausfrau schien zu den sparsamen zu gehören. Die beiden würden schon durchkommen. Wenn nicht, stünde das Haus bald wieder zum Verkauf. Vielleicht würde sie selbst oder Robert die Sache dann übernehmen. Es war gar nicht mehr so ungewöhnlich, daß sie im Verlauf weniger Jahre dasselbe Haus zwei- oder dreimal verkaufte.
    Sie schloß das Auto auf und wählte am Funktelefon die Nummer des Büros in Ystad. Aber Robert war bereits nach Hause gegangen. Sie lauschte seiner Stimme vom Anrufbeantworter, die mitteilte, daß Åkerbloms Immobilienvermittlung über das Wochenende geschlossen bleibe, am Montag morgen um acht aber wieder öffne.
    Zunächst wunderte sie sich darüber, daß Robert so zeitig nach Hause gegangen war. Aber dann fiel ihr ein, daß er sich an diesem Nachmittag mit ihrem Wirtschaftsprüfer treffen wollte. Sie sprach auf das Band: »Hej, ich schau mir nur noch ein Haus bei Krageholm an, dann fahre ich nach Ystad. Es ist jetzt Viertel nach drei. Um fünf bin ich zu Hause.« Dann klemmte sie das Mobiltelefon wieder in die Halterung. Es war ja möglich, daß Robert nach seinem Gespräch mit dem Wirtschaftsprüfer noch einmal ins Büro zurückging.
    Sie nahm eine Plastikmappe vom Sitz und suchte die Geländeskizze heraus, die sie nach der Beschreibung der Witwe angefertigt hatte. Das Haus lag an einer Abzweigung zwischen Krageholm und Vollsjö. Es würde etwa eine Stunde dauern, hinauszufahren, Haus und Grundstück zu besichtigen und dann nach Hause zu kommen.
    Sie überdachte ihren Entschluß noch einmal. Das kann warten, sagte sie sich. Ich nehme die Küstenstraße für die Heimfahrt, halte irgendwo und genieße die Aussicht aufs Meer. Ich habe heute schon ein Haus verkauft. Das muß reichen.
    Sie summte den Anfang eines Psalms, ließ den Motor an und |27| fuhr aus Skurup heraus. Als sie zur Abfahrt nach Trelleborg kam, änderte sie ihren Entschluß jedoch noch einmal. Weder am Montag noch am Dienstag würde sie dazu kommen, das Haus der Witwe zu besichtigen. Vielleicht wurde die Dame wütend und bot ihr Eigentum einem anderen Makler an? Das konnten sie sich nicht leisten. Die Zeiten waren schon schwer genug. Die Konkurrenz wurde immer härter. Keiner konnte auf angebotene Objekte verzichten, wenn eine Vermittlung nicht gerade völlig aussichtslos erschien. Sie seufzte und bog in die andere Richtung ab. Die Küstenstraße und der Strand mußten warten. Dann und wann schielte sie auf die Skizze. In der nächsten Woche würde sie einen Kartenhalter kaufen, damit sie nicht immer zur Seite schauen mußte, wenn sie die Fahrtroute überprüfte. Aber das Haus der Witwe konnte nicht so schwer zu finden sein, auch wenn sie die Abzweigung, die die Frau beschrieben hatte, noch nicht gefahren war. Die Gegend jedoch kannte sie in- und auswendig. Im kommenden Jahr würden sie und Robert das zehnte Jubiläum ihres Unternehmens feiern können.
    Sie erschrak bei dem Gedanken. Schon zehn Jahre. Die Zeit war so schnell vergangen, allzu schnell. In diesen zehn Jahren hatte sie zwei Kinder geboren und zusammen mit Robert hart daran gearbeitet, das Immobilienbüro zu etablieren. Als sie anfingen, herrschten günstige Zeiten, das war ihr klar. Heute wäre es ihnen nicht mehr gelungen, auf den Markt zu kommen. Sie konnte zufrieden sein. Gott hatte es mit ihr und ihrer Familie gut gemeint. Sie würde noch einmal mit Robert darüber reden, ob sie nicht ihre Spenden für »Rettet die Kinder« erhöhen sollten. Natürlich würde er zögern, er sorgte sich mehr um ihre Finanzen als sie. Aber schließlich würde sie ihn überzeugen, wie immer.
    Plötzlich merkte sie, daß sie sich verfahren hatte, und bremste. Die Gedanken an die Familie und die zehn vergangenen Jahre hatten bewirkt, daß sie die erste Abzweigung verpaßt hatte. Sie lachte, schüttelte den Kopf und schaute sich um, bevor sie wendete und denselben Weg zurückfuhr, den sie gekommen war.
    Schonen ist eine schöne Landschaft, dachte sie. Weit und schön. Aber auch geheimnisvoll. Alles, was im ersten Augenblick so eben wirkte, konnte sich schnell in tiefe Senken verwandeln, in |28| denen Häuser und Höfe wie isolierte Inseln lagen. Sie hörte niemals auf, sich darüber zu wundern, wie sich die Landschaft veränderte, wenn sie umherfuhr, um Häuser zu besichtigen oder
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