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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin
Autoren: Henning Mankell
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er, daß die Tür aufgebrochen worden war. Ein paar Minuten später konnte er sagen, daß die Diebe seine neue Stereoanlage, den C D-Player , alle seine Platten, Fernseher und Video, Uhren und eine Kamera weggeschleppt hatten. Eine ganze Weile saß er wie gelähmt auf einem Stuhl und fragte sich, was er tun sollte. Schließlich rief er seine Arbeitsstelle an und ließ sich mit Martinsson verbinden, einem der Kriminalinspektoren, die an diesem Sonntag Dienst hatten.
    Er mußte lange warten, bis Martinsson den Hörer abnahm. Wallander schätzte, daß er mit einigen Polizisten zusammensaß, |33| die eine große Verkehrskontrolle hinter sich hatten, und Kaffee trank.
    »Hier ist Martinsson. Was gibt es?«
    »Wallander. Am besten, du kommst her.«
    »Wohin denn? In dein Zimmer? Ich dachte, du hättest heute frei.«
    »Ich bin zu Hause. Komm her.«
    Martinsson war klar, daß es wichtig war. Er stellte keine weiteren Fragen. »Ja«, sagte er. »Ich komme.«
    Der Rest des Sonntags war für die Kriminaltechnik und den Untersuchungsbericht draufgegangen. Martinsson, einer der jüngeren Polizisten, mit denen Wallander zu tun hatte, war manchmal sowohl schludrig als auch impulsiv. Aber Wallander arbeitete trotzdem gern mit ihm zusammen, nicht zuletzt, weil er sich oft unerwartet scharfsinnig gezeigt hatte. Als Martinsson und der Polizeitechniker endlich gegangen waren, brachte Wallander die Tür äußerst provisorisch wieder in Ordnung.
    Nachts hatte er viel wach gelegen und gedacht, daß er die Diebe zusammenschlagen würde, wenn sie ihm irgendwann unter die Finger gerieten. Als er über den Verlust all seiner Platten fürs erste hinweg war, grübelte er mit wachsender Resignation darüber nach, was er in bezug auf seinen Vater unternehmen sollte.
    Im Morgengrauen stand er auf, kochte Kaffee und suchte nach der Police seiner Hausratversicherung. Am Küchentisch sah er die Papiere durch und versuchte, mit dem unbegreiflichen Vokabular des Versicherungsunternehmens klarzukommen. Schließlich schob er die Papiere beiseite und ging ins Bad, um sich zu rasieren. Als er sich geschnitten hatte, überlegte er, ob er anrufen, sich krank melden und sich dann wieder hinlegen und die Bettdecke über die Ohren ziehen sollte. Aber der Gedanke, sich in der Wohnung aufzuhalten und nicht einmal eine Platte auflegen zu können, war unerträglich.
     
    Jetzt war es halb acht, und er saß in seinem Büro hinter verschlossener Tür. Mit einem Stöhnen zwang er sich, wieder Polizist zu sein, und legte den Hörer auf die Gabel.
    Sofort klingelte das Telefon. Es war Ebba von der Rezeption. |34| »Das ist ja unglaublich, dieser Einbruch bei dir«, sagte sie. »Haben sie wirklich alle deine Platten mitgenommen?«
    »Ein paar mit 78   Umdrehungen haben sie mir dagelassen. Ich dachte, ich könnte sie mir vielleicht heute abend anhören. Wenn ich ein altes Grammophon auftreibe.«
    »Scheußlich.«
    »Läßt sich nicht ändern. Weshalb rufst du an?«
    »Hier steht ein Mann, der unbedingt mit dir reden will.«
    »Worüber denn?«
    »Über jemanden, der verschwunden ist.«
    Wallander betrachtete den Aktenstapel auf seinem Schreibtisch. »Kann Svedberg das nicht übernehmen?«
    »Svedberg ist draußen und jagt.«
    »Und was jagt er?«
    »Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Er ist unterwegs und jagt ein Bullenkalb, das von einem Hof bei Marsvinsholm ausgerissen ist. Es rennt auf der E14 herum und bringt den Verkehr durcheinander.«
    »Das ist doch eine Sache der Verkehrspolizei. Wer hat ihn denn dafür eingeteilt?«
    »Björk selbst hat Svedberg geschickt.«
    »Herrgott!«
    »Also kann ich dir den Mann reinschicken, der eine Vermißtenanzeige aufgeben will?«
    Wallander nickte in den Telefonhörer. »Meinetwegen.«
    Das Klopfen an der Tür einige Minuten später war so vorsichtig, daß Wallander zunächst nicht sicher war, überhaupt etwas gehört zu haben. Aber als er »Herein!« rief, wurde die Tür sofort geöffnet.
    Wallander war schon immer der Meinung, daß der erste Eindruck von einem Menschen der entscheidende ist.
    Der Mann, der Wallanders Büro betrat, war in keiner Beziehung auffällig. Wallander schätzte, daß er ungefähr fünfunddreißig Jahre alt war. Er trug einen dunkelblauen Anzug und eine Brille, das helle Haar war kurz geschnitten.
    Gleichzeitig bemerkte Wallander etwas anderes.
    Der Mann war offenbar sehr beunruhigt. Es schien, als sei |35| Wallander nicht der einzige gewesen, der eine schlaflose Nacht hinter sich
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