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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition)
Autoren: Petra Gabriel
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Hühner, das Fleisch von gebratenen Ochsen, eingelegte Lammkeulen, Kalbshirn oder gepökelte Zunge. Meine Aufgabe war es, die vollen Krüge zu schleppen, um den Gästen Wein nachzuschenken, wenn sie ihre Becher geleert hatten. Der Vater Abt thronte als Gastgeber in der Mitte der Kopfseite der langen Tafel, zu seiner Linken Herzog Rudolf und zur Rechten Bischof Beringer.
    Der Ton zwischen Abt und Bischof schien mir eher kühl zu sein. Es war allgemein bekannt, dass Basel bestrebt war, die Abtei St. Blasien unter seine Herrschaft zu bekommen. Doch unser weltlicher Herr, der Herzog von Rheinfelden, hatte dies auch mit Hilfe seiner guten Beziehungen zum Königshof immer wieder zu verhindern gewusst und das Kloster zusätzlich durch großzügige Gaben unterstützt.
    Mehr noch. Die Sorge unseres Herrn Rudolf um die Abtei St. Blasien war bei Hof so gut aufgenommen worden, dass ihm Erzbischof Adalbert von Bremen und der Regentschaftsrat für den jungen König Heinrich in diesem Jahr die Abtei Kempten übereignet hatten. Vielleicht wollten die Fürsten, besonders aber der stolze und habgierige Erzbischof von Bremen, damit vermeiden, sich den Unmut und Neid des mächtigen Herzogs von Schwaben zuzuziehen. Adalbert von Bremen war nämlich zusammen mit Graf Werner inzwischen zum liebsten Berater des noch unmündigen Königs aufgestiegen. Vielen Menschen schien es damals, als regierten diese beiden das Reich und nicht Heinrich. Sie hatten sich selbst dabei so manches Lehen und so manches Kloster zugeschanzt. Und da das jeder wusste, taten sie gut daran, keine Missgunst unter den Reichsfürsten aufkommen zu lassen, die ihnen schaden konnten. Der mächtige Herzog von Schwaben hatte jedenfalls viele Möglichkeiten und genügend Verbündete. Außerdem stand er hoch in der Gunst Heinrichs.
    All das hatte mir mein Erzieher und Beschützer Abt Warinharius berichtet. Aber nicht, um die Raffgier des Bremer Erzbischofs anzuprangern, sondern um mir klarzumachen, wie wichtig es für St. Blasien sei, einen so mächtigen Gönner und Beschützer wie Rudolf von Rheinfelden zu haben.
    Herzogin Adelheid hatte an der Seite ihres Gemahls Platz genommen. Ihr durfte ich nicht aus meinem Weinkrug einschenken, denn diese Aufgabe hatte der junge Kuno übernommen, der niemanden in ihre Nähe ließ. Sie trank jedoch nur mäßig, was mich mit Erleichterung und heimlichem Jubel erfüllte. So kam er nur selten in den Genuss, ihr nachzuschenken. Doch jedesmal bedachte sie ihn für seinen Dienst mit ihrem ganz besonderen, warmen Lächeln, um das ich ihn glühend beneidete.
    Dafür hatte Kuno allerdings Zeit, die anderen Anwesenden zu beobachten und mit dem Herzog zu tuscheln. Er warf einen Blick auf mich, grinste breit und flüsterte ihm dann etwas ins Ohr. Rudolfs Augen schweiften daraufhin suchend über die Menge, bis er mich entdeckt hatte. Dann lachte auch er. Ich spürte, wie mir die Schamesröte ins Gesicht stieg. Ich ahnte sehr wohl, wovon die Rede war.
    »Einen gar seltsamen kleinen Mann habt Ihr da als Mundschenk, werter Vater Abt. Habt Ihr denn gar keine Angst, dass bei seinem mürrischen Gesicht der Wein sauer wird? Oder er ihn gar verschüttet durch die ungelenken Bewegungen seiner krummen Beine. Sagt, wo habt Ihr denn diesen seltsamen Zwerg her? Hattet Ihr mir nicht erst unlängst erzählt, dass Affen, von denen Ihr aus römischen Quellen wisst, so ähnlich aussehen sollen? «
    Ich stand mit dem Krug in der Hand wie versteinert da. Die Scham kroch in mir hoch. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. In den Augen der Herzogin lag große Traurigkeit und Mitleid, als sie mich bei den Worten ihres Gemahls anblickte.
    Abt Warinharius war neben all seinen anderen herausragenden Eigenschaften aber auch ein gerechter und mutiger Mann. Er wagte es, selbst dem Gönner und Beschützer der Abtei St. Blasien zu widersprechen, wenn ihm etwas nicht gefiel.
    »Verzeiht, Herzog Rudolf. Es ist nicht recht, über jene zu spotten, denen das Leben Schweres zufügte. Das Gesinde Eurer Burg brachte uns einst diesen Zwerg, wie Ihr ihn nennt, mit grob gebrochenen und danach schlecht wieder zusammengewachsenen, verkrüppelten Beinen. Damals war er ein Kind von etwa vier Jahren, verlaust, verdreckt und vor Schmerz, Fieber und Hunger fast bewusstlos. So kam er von Euch. Und er ist nicht so in diese Welt geboren worden. Es muss ihm Übles angetan worden sein. Ich kenne Euren hohen Sinn und weiß, dass Ihr sicherlich keine Kenntnis davon hattet. Ihr habt zu viele Diener, um
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