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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh
Autoren: Susanne Mischke
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Kramp hat etwas mit uns zu besprechen«, eröffnete Janna. Marie setzte sich hin und sah Janna und Frau Kramp fragend an. Emily blieb stehen. Instinktiv erfasste sie, dass sie in dem folgenden Gespräch nicht vorkommen würde.
    Frau Kramp knetete ihre Hände. So nervös hatte sie Emily noch nie erlebt. »Also«, begann sie zögernd, »ich wollte euch Folgendes vorschlagen: Ich würde gerne für euch sorgen, zumindest so lange, bis eure Mutter wieder ganz gesund ist. Als Pflegemutter oder etwas in der Richtung, das müsste man mit dem Jugendamt besprechen. Aber das hätte den Vorteil, dass ihr in diesem Haus bleiben könntet, keiner von euch müsste die Schule wechseln, ihr würdet eure Freunde nicht verlieren. Ich denke bei dieser Regelung vor allen Dingen an Moritz. Es wäre für ihn furchtbar, wenn er von euch getrennt würde. Ihr müsst euch nicht sofort entscheiden, mein Angebot steht.« Sie nippte an ihrem Getränk.
    Marie und Janna sahen sich an.
    »Was sagst du dazu, Moritz? Soll Frau Kramp bei uns einziehen?«, fragte Janna.
    »Ringo auch?«
    »Ja, klar.«
    »Au ja.« Moritz kroch zu Ringo unter den Tisch und begann von einer Hundehütte zu faseln, und von den Kunststücken, die er ihm beibringen würde.
    Emily hatte erwartet, dass Janna und Marie Freudensprünge veranstalten würden, aber Marie schwieg und Janna fragte: »Warum tun Sie das? Kümmern sich um wildfremde Kinder?«
    »Wildfremd seid ihr mir ja nun ganz bestimmt nicht.«
    »Aber gleich Pflegemutter?«, beharrte Janna. »Das ist doch etwas ganz anderes. Das betrifft Ihr ganzes Leben!«
    »Ja, du hast recht«, räumte Frau Kramp ein. Sie holte tief Luft und sagte dann bemüht nüchtern: »Ich hatte mal ein eigenes Kind, einen Sohn. Er starb, als er so alt war, wie Moritz jetzt ist. An Meningitis, Hirnhautentzündung. Das ist vier Jahre her.«
    »Das tut mir leid«, sagte Janna.
    »Ja, mir auch«, versicherte Marie rasch.
    Danach herrschte Schweigen. Grillen zirpten, Ringo schnarchte und Maja Kramp rührte mit dem Strohhalm in ihrem Glas, sodass die Eiswürfel leise klimperten. Emily hielt es fast nicht mehr aus vor innerer Anspannung. Warum sagten die beiden denn nichts? Dieses Angebot war doch wahnsinnig großzügig, ein echter Glücksfall.
    Endlich fand Marie ihre Sprache wieder: »Ich finde das toll, dass Sie das für uns tun wollen. Aber was ist, wenn Mama nach Hause kommt?«
    »Ach, das macht dir Sorge«, winkte Frau Kramp ab. »Darüber zerbrich dir nicht den Kopf. Natürlich behalte ich meine Wohnung, denn ich möchte ja nicht auf Dauer den Platz eurer Mutter einnehmen. Das ist gewiss nicht meine Absicht. Vielleicht könntet ihr mich als so eine Art Tante betrachten. Eine Tante, die einspringt, solange es notwendig ist.«
    »Eine Patin«, schlug Marie vor.
    Moritz schaute fragend in die Runde. »Was ist das?«, fragte er stirnrunzelnd.
    »Paten sind dazu da, für die Kinder zu sorgen, wenn den Eltern was passiert.«
    »Patin klingt doch schön«, meinte Frau Kramp.
    »Also, ich fände es okay«, sagte Janna und schickte ein unsicheres Lächeln über den Tisch. »Ja, doch, das wäre echt riesig, wirklich.«
    Fatalerweise flogen Emilys Eltern gerade dann aus Sardinien zurück, als auch die überregionalen Zeitungen das Thema »Jugendliche narren Entführer mit selbst gemaltem Picasso« auf ihren Klatschseiten durchhechelten, und so hatten sie während ihres Fluges genug Gelegenheit, die Ferienerlebnisse ihrer Tochter in verschiedenen Blättern nachzulesen. Dementsprechend fiel das Strafgericht aus. Früher wäre Emily vermutlich mittendrin aufgesprungen und heulend in ihr Zimmer gelaufen, um sich dort für die nächsten paar Stunden schmollend einzuschließen. Nicht so dieses Mal. Sie hörte sich die Vorhaltungen ihrer Eltern nicht gerade gelassen, aber doch relativ ruhig an. Sie hatte während der vergangenen Wochen dem Tod in mehreren Varianten ins Auge gesehen, wie sollte sie da eine Predigt ihrer Erziehungsberechtigten erschüttern? Zumal sie deren Argumente bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen konnte. So korrigierte sie nur die eine oder andere Übertreibung ihrer Mutter mit sachlichen Worten und legte am Ende ihre Beweggründe dar, gefolgt von einer Entschuldigung.
    Keine Tränen, kein Gebrüll, kein Trotz. Das Ergebnis war, dass ihre Eltern völlig verblüfft waren und sogar vergaßen, irgendwelche Sanktionen zu verhängen.
    Später am Tag wurde Emily Ohrenzeugin eines Gesprächs:
    »Sie ist so anders geworden, und das in gerade
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