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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh
Autoren: Susanne Mischke
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mal drei Wochen«, hörte sie ihre Mutter sagen.
    »Und sie hat auch mehr Busen bekommen«, meinte ihr Vater. »Sie wird langsam ein verdammt hübscher Teenager, du wirst sehen, bald streunen hier die Kerle vor dem Haus herum.«
    Hinter der Tür lief Emily knallrot an, während Frau Schütz mit leisem Tadel in der Stimme antwortete: »Ich meinte damit eigentlich, dass sie geistig reifer geworden ist. Wie ruhig sie geblieben ist, als wir sie in die Mangel genommen haben – das hätte es früher nicht gegeben.«
    »Also war die ganze Sache doch nicht so schlecht«, räumte ihr Vater ein: »Mal abgesehen vom Kontakt zu Schwerverbrechern.« Das Grinsen war in seiner Stimme zu hören. »Aber in Sachen Gartenarbeit kennt sie sich jetzt ja bestens aus.«
    »Da mach dir mal nicht allzu viele Hoffnungen«, widersprach ihre Mutter lachend und Emily hinter der Tür grinste und schlich sich davon.
    Die Beisetzung von Frau Holtkamp auf einem richtigen Friedhof fand eine Woche später statt. Inzwischen war die Leiche obduziert worden und die Todesursache stand zweifelsfrei fest: ein schwerer Herzinfarkt. Zur Beerdigung kam auch die Mutter der Weyer-Geschwister: eine zarte, zerbrechlich wirkende Frau mit Maries dunklen Haaren und großen Augen. Sie weinte nicht und folgte etwas abwesend dem Procedere. Auch Frau Kramp war da und hinterher gingen sie und die Familie Weyer zusammen in ein Café. Emily wäre gerne dabei gewesen, aber mit welcher Begründung? Sie, die mit den Geschwistern so viel durchgemacht hatte, war nun zu einer Außenstehenden geworden. Das schmerzte. Aber Marie würde ihr hoffentlich alles erzählen.
    Und das tat sie auch, gleich am nächsten Tag. Sie hatten sich im Eiscafé verabredet.
    »Mama wohnt jetzt nicht mehr im Heim, sondern in einer betreuten Wohngemeinschaft, gar nicht weit von hier. Sie kommt uns jedes Wochenende besuchen, das hat sie mit Maja – also, mit Frau Kramp – ausgemacht. Sie sagt selbst, sie will erst wieder bei uns einziehen, wenn sie ganz sicher ist, dass sie es auch schafft.«
    »Und wie läuft es mit Frau Kramp?«
    »Ach, die ist echt in Ordnung. Sie plant jetzt, den Dachboden auszubauen, damit wir mehr Platz haben und unsere eigenen Zimmer behalten können. Aber vor allen Dingen hält sie uns den kleinen Satansbraten vom Hals, und das ist ja schon viel wert«, grinste Marie. »Und wie war’s bei dir? Haben sie dir den Kopf abgerissen?«
    »Fast.«
    »Du hast ihnen doch nichts gesagt...?«
    »Nein. Nur das, was in der Zeitung stand. Eltern müssen nicht alles wissen.«
    »Das bleibt unser Geheimnis, nicht wahr?«
    »Auf jeden Fall.« Emily streckte drei Finger in die Höhe.
    »Übrigens, wir sind jetzt reich«, verkündete Marie.
    »Ach ja? Habt ihr im Lotto gewonnen?«
    »So ähnlich. Es gab doch ein Testament von Oma. Das lag bei einem Notar. Diese Amerikanerin, der Oma das Bild zurückgegeben hat, die hat ihr damals einen fetten Scheck geschickt, aus Dankbarkeit. Oma hat das Geld für uns in Wertpapieren angelegt und jetzt, nach über zwanzig Jahren, ist das Ganze fast neunzigtausend Euro wert. Das soll für unser Studium oder sonst eine Ausbildung sein, hat Oma verfügt. Gut, was?«
    »Sehr gut«, strahlte Emily. »Und was studierst du dann mal?«
    »Mathe und Physik, was sonst?«
    »Und was machst du damit? Lehrerin?«
    »Bist du irre? Ich werde in die Forschung gehen und die Energieprobleme der Menschheit lösen. Zum Beispiel.«
    »Klar«, sagte Emily, die keine Sekunde daran zweifelte, dass Marie ihren Plan verwirklichen würde. »Und Janna kann auf die Schauspielschule«, fiel ihr ein.
    »Ja. Aber sie könnte auch jetzt schon die Hauptrolle in ›Unser Charly‹ spielen«, lästerte Marie und dann kicherten sie drauflos wie schon lange nicht mehr.
    »Du bist eine tolle Freundin, wollt ich dir noch sagen«, sagte Marie, ehe sie verlegen den Blick in ihren Milchshake senkte.
    »Du auch«, sagte Emily.
    »Hier, das soll ich dir von Janna geben.«
    »Ein Geschenk?« Neugierig öffnete Emily die kleine Schachtel. Darin lag eine Sonnenbrille, wie Janna sie trug, und ein blassrosa Lippenstift. Emily setzte die Brille auf.
    »Cool«, sagte Marie. »Ja, dann geh ich jetzt mal.« Sie stand mit einem Ruck auf.
    »Aber wieso denn? Du hast doch noch gar nicht ausgetrunken und wir wollten doch schwimmen gehen?«
    »Ich glaube, du kriegst gleich Besuch«, flüsterte Marie und weg war sie. Emily sah ihr irritiert nach. Dann entdeckte sie den Grund für Maries eilige Flucht. Eine Gestalt mit
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