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Waffenschmuggel

Waffenschmuggel

Titel: Waffenschmuggel
Autoren: Ambler
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bedeckt.
    »Der Titan war froh«, sagte Girija nachdenklich, »froh, daß keines dieser Schweine von hier ist. Für ihn war es ein Beweis für die Treue und den Mut unserer Leute.«
    Wieder sahen sie ihn an. Einer von den beiden murmelte: »Der Tuan ist wie ein Vater zu uns.«
    »Schade, daß der Tuan Leutnant nicht seiner Meinung ist«, fuhr Girija fort.
    Sie sahen ihn bestürzt an.
    Girija zuckte die Achseln. »Er sagte, daß die Bande erst kürzlich in diese Gegend gekommen sei. Er meinte, eine Woche sei zu kurz für einen Treuebeweis.«
    Jetzt hatte er sie bei ihrer Ehre gepackt. Ihre Bestürzung wurde von Empörung abgelöst. Derjenige von den beiden, der schon vorher gesprochen hatte, ergriff jetzt wieder das Wort. »Der Tuan hat recht«, sagte er bestimmt. »Der Tuan Leutnant sagt nicht die Wahrheit.«
    Wieder zuckte Girija die Achseln. »Es ist ja auch nicht wichtig.«
    »Der Tuan Leutnant hat unrecht«, beharrte der Mann. »Es waren viele Wochen.«
    Girija grunzte zustimmend.
    »Viele Wochen«, wiederholte der andere Mann mit Nachdruck.
    Girija streckte abwehrend die Hände aus. »Mich geht es nichts an. Vielleicht solltet ihr das dem Tuan Leutnant melden.« Er bemerkte die plötzliche Angst in ihren Augen und fuhr beschwichtigend fort: »Ich selbst halte es allerdings nicht für nötig oder angebracht. Die Schweine sind tot. Am besten, man redet nicht mehr davon.«
    »Ja, ja. Das ist das beste. Wir wollen es vergessen.«
    Girija lächelte wohlwollend und ging weiter. Er wußte, daß sie ihm ängstlich nachblickten und sich fragten, ob er sie an den Leutnant verraten würde. Er hatte nicht die Absicht, das zu tun; aber es war sinnlos, sie beruhigen zu wollen; sie würden ihm doch nicht glauben. Sein Ziel hatte er jedenfalls erreicht, was er wissen wollte, hatte er herausgefunden.
2
    Girija wurde in Cawnpore, United Provinces of India, geboren. Seine Eltern waren Bengalen. Er war der einzige Sohn und hatte fünf Schwestern. Als er sechs Jahre alt war, reiste sein Vater, der Subahdar , mit einer Abordnung seines Regiments nach London, um im Krönungszug von König Georg VI. mitzumarschieren. Während dieses Aufenthalts nahm der Subahdar an einer Stadtrundfahrt teil, bei der er den Tower, die Westminster-Abtei, das Parlamentsgebäude, das Britische Museum, den Gerichtshof, die Battersea-Elektrizitätswerke und aus unerfindlichen Gründen eine Fabrik in Acton zu sehen bekam, in der Autobuskarosserien hergestellt wurden. Beladen mit Souvenirs und voller ehrgeiziger Pläne für seinen Sohn kehrte er nach Indien zurück. Ganz besonders hatte ihn der Gerichtshof beeindruckt. Girija würde Rechtsanwalt werden oder, falls er das nicht erreichte, Polizist.
    Girija wurde keines von beiden. Der Subahdar fiel in der Schlacht von Alamein, und Girija verbrachte die nächsten drei Jahre in einem Militärwaisenhaus in Benares. Nach Kriegsende schrieb seine Mutter ihrem Bruder, der in Singapur eine Baumwollfirma hatte, ob er sie und die Kinder aufnehmen wollte, da sie von ihrer Witwenpension nicht leben könnten. Die Aussicht auf billige Arbeitskräfte veranlaßte den Bruder, das Geld für die Passage sofort abzuschicken. Im Dezember 1946 reisten sie als Zwischendeckpassagiere von Kalkutta nach Singapur. Die Orden des Subahdars und die kostbaren Andenken an seine Reise nach London nahmen sie mit: den Krönungsbecher, die bunten Postkarten, die Zeitungsausschnitte und Photographien, den Aschenbecher aus der Unteroffiziersmesse der Chelsea-Kaserne und den Katalog des Omnibuskarosserien-Fabrikanten.
    Im letzten Jahr seiner Waisenhauszeit hatte Girija gelernt, im Geschäftsjargon Briefe zu schreiben, und war in Buchhaltung und Betriebsorganisation unterwiesen worden. Der Onkel in Singapur fand ihn brauchbar; so brauchbar, daß er nach drei Monaten seinen Buchhalter entließ, dem er vierzig Dollar (Straits) in der Woche gezahlt hatte, und durch Girija ersetzte, der nur zwanzig bekam. Girija war damals sechzehn Jahre alt. Er blieb zwei Jahre lang in Singapur. In dieser Zeit lernte er Malaiisch und ein paar Brocken Kantonesisch und schloß Freundschaft mit einem Inder, der Mitglied der Parsi-Sekte war und im Büro eines chinesischen Finanzkonzerns arbeitete.
    Kapitalknappheit, durch Internierung zerrütteter Gesundheitszustand oder auch nur allgemeine Hoffnungslosigkeit, die von den anfänglichen Erfolgen der Terroristen verursacht wurde, veranlaßten damals viele Engländer in Malaya, ihre Gummiplantagen zu verkaufen. Und das
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