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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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hättest du in dreißig Jahren diese Riesensumme beisammen. Wär das nicht was?
    Der andere nimmt in Ruhe einen weiteren Schluck und schüttelt dann den Kopf.
    – Wer weiß denn, was in dreißig Jahren ist? Außerdem wäre mir das zu riskant.
    – Was?
    – Na, das Geld zu sparen, statt es zu vertrinken. Wäre mir zu riskant.
    – Was ist denn daran riskant?
    – Jetzt stell dir mal vor, ich trinke die dreißig Jahre und merke dann: Ach Mist, ich hätte doch lieber sparen sollen. Wäre viel schöner, wenn ich jetzt das ganze Geld hätte.
    Er nimmt noch einen Hieb Bier, als wolle er damit sein Nachdenken sichtbar machen, bevor er, den Blick in der Weite der Einbahnstraße verlierend, weiterredet.
    – Dann könnte ich das vielleicht wiedergutmachen. Könnte mir diese einundzwanzigtausendneunhundert Euro auch anderweitig besorgen. Es wäre sicherlich nicht einfach, aber das ginge womöglich. Irgendwie. Stell dir jetzt dagegen mal vor, ich hätte die ganze Zeit gespart und nach dreißig Jahren merke ich: Ah, hätte ich doch lieber getrunken! Die ganze Zeit! Wie soll ich das je wieder aufholen? Jeden Tag einen halben Liter. Dreißig Jahre lang. Das wären rund fünftausendvierhundert Liter Bier. Das schafft man doch gar nicht! Und wenn doch, käme ich ja zu nichts anderem mehr. Den ganzen Rest meines Lebens müsste ich praktisch ununterbrochen Bier trinken. Was für ein Stress! Das macht doch irgendwann gar keinen Spaß mehr. Nein, so stelle ich mir meinen Lebensabend nicht vor. Nur trinken, trinken, trinken. Da arbeite ich jetzt lieber in Ruhe vor, damit es mir im Alter mal besser geht und ich nur so viel trinken muss, wie ich auch schaffen kann.
    Der andere nickt.
    – Verstehe. Dann ist dieses Bier, das du hier jeden Abend trinkst, für dich so eine Art Altersvorsorge?
    – Ganz genau. Meine Altersvorsorge hat viele Säulen. Und dieses Bier jeden Abend ist sicherlich eine der wichtigsten. Noch wichtiger als diese ganze Sparerei ist nämlich, dass man immer auch gute und schöne Sachen macht, weil wer davon zu wenig auf die hohe Kante legt, schafft das im Alter …
    Der Rest seines Satzes geht leider in einem gewaltigen Rülpser unter. Sein Freund hat ihn aber trotzdem verstanden.
    Ich bin mir nicht sicher, ob vor einem Bahnhofslokal in Gütersloh zu sitzen wirklich ein wichtiges, unvergessliches Erlebnis ist, von dem man im Alter noch lange zehren kann. Trotzdem habe ich in den letzten Jahren von verschiedenen Finanzfirmen sehr viele deutlich unseriösere Vorsorgemodelle gesehen und auch angeboten bekommen.
    Zahle drinnen mein Essen und bringe den beiden auf dem Rückweg zwei frisch gezapfte Biere mit.
    «Hier! Schon mal eine Bonuszahlung in Ihren Rentenfonds.»
    Die Männer sind sehr zufrieden. Ich glaube nicht, dass sie ihr Vorsorgemodell noch einmal ändern werden. Warum auch?

Das Etablissement im Zug
    Sitze im Zug Richtung Berlin und lese einen Zeitungsartikel, in dem es darum geht, dass Meerschweinchen depressiv werden können, wenn man nachts in der Wohnung häufig das Licht an- und ausmacht. Denke: Wahnsinn, wofür ich mich so alles interessiere. Überlege, wie viele meiner Freunde wohl so einen Artikel mit ehrlichem Interesse lesen würden. Wahrscheinlich keiner. Stelle dann fest, der Artikel ist auch noch sehr verquast und langweilig geschrieben. Super. Vermutlich wird niemand auf der ganzen Welt diesen Artikel bis zum Ende lesen. Außer mir. Fühle mich ein bisschen wie ein Held.
    In Hannover steigt ein Mann zu und stellt seinen Papp-Kaffeebecher am letzten freien Platz mit Tisch ab. Während er etwas weiter hinten im Wagen seinen Koffer verstaut, kommt ein anderer Mann und setzt sich direkt auf diesen Platz. Ein Streit entsteht. Die beiden werden ziemlich laut. Ich versuche, mich auf meinen Meerschweinchenartikel zu konzentrieren. Schließlich bleibt der zweite Mann am Tisch sitzen. Der erste mit dem Kaffee setzt sich direkt dahinter auf einen Platz ohne Tisch und schaut sehr, sehr böse. Dann holt er eine Tüte mit frisch gebrannten Mandeln, wahrscheinlich direkt vom Bahnhofsmarkt in Hannover, heraus. Die Mandeln duften unglaublich, geradezu betörend. Ich kann mich kaum noch auf meinen Artikel konzentrieren.
    Der Mann am Tisch beginnt zu telefonieren. «Ja, hallo, Schatz. Du, ich sitze im Zug … Ja, ich muss dringend noch mal in die Zentrale nach Berlin … Natürlich … Doch, doch, aber es wird heute leider sehr spät …» Er macht ein bedauerndes Gesicht.
    Doch dann geschieht etwas Unerwartetes.
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