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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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Frechheit. Erkenne mich quasi nur am Pyjama und am Badezimmerregal im Hintergrund.
    Der lustlose Spiegel wirkt, als hätte ich ihn überrascht, als wäre er mit der Darstellung meines Gesichts nicht einmal halbfertig geworden. Es sieht maximal so aus, als hätte jemand mit einem ganz feinen, dünnen Bleistift eine Skizze vom Kopf gemacht, die Skizze durch Butterbrotpapier durchgepaust und dann einen Becher Kaffee darauf verschüttet. Obwohl, wie Kaffee sieht es nicht aus, eher wie verdünnte Himbeermarmelade. Ja, jetzt erkennt man es gut. Als hätte jemand auf das Butterbrotpapier mit dem durchgepausten Kopf noch mit Kaffee und Graupensuppe verdünnte Himbeermarmelade geschüttet.
    Frage: «Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist der Schönste im ganzen Land?»
    Der Spiegel versteht die Frage nicht.
    Die Freundin meint, ich sähe schlimm aus. Quasi wie ein farbloser Schnapsmatrizenabzug meiner selbst.
    Antworte: «Ich weiß, habe schon mit dem Spiegel gesprochen.»
    Sie meint, der Spiegel sei kaputt. Die Tochter habe für ein Naturwissenschaftsprojekt im Bad einen Pappmaché-Planeten mit einem Gemisch aus Himbeermarmelade, Kaffee und Graupensuppe besprüht und dabei versehentlich den ganzen Spiegel gleich mit.
    Murmle: «Ach.»
    Die Freundin ärgert mich fröhlich. «Hätte man’s gewusst, hätte sie sich die ganze Arbeit sparen und stattdessen einfach deinen Kopf zur Projektstunde mitnehmen können. Der würde zurzeit auch ohne weiteres als Eins-a-Marsoberfläche durchgehen.»
    Stöhne: «Ich hab Grippe.»
    Sie meint: «Das ist höchstens ein grippaler Infekt. Richtige Grippe ist noch viel, viel schlimmer.»
    «Schlimmer als das, was ich habe, ist tot. Mindestens. Fühle mich wie lebendig ausgestopft. Als hätte mich der schlechteste Tierpräparator der Welt mit achtzig Kilo Schleim gefüllt. Nachdem er mich vorher esoterisch betäubt hat. Also diese Betäubung, wo einem nur so eine große Metallklangschale über den Kopf gestülpt wird, und dann schlägt eine sehr kräftige Person mit einem riesigen Klöppel mal ordentlich dagegen. Diese Art Betäubung. Hallt rund eine Woche nach.»
    Rufe bei der Ärztin an. Die Sprechstundenhilfe fragt, was ich habe.
    Sage: «Uaahhhwwwlallwahlallaschwuaschgmpfflwhaa…äää ääähhhh.»
    Sie meint: «Hm, das haben ja im Moment praktisch alle.»
    Röchle: «Genau. So Grippe eben.»
    «Neenee, das ist nur ein grippaler Infekt. Richtige Grippe ist noch viel, viel schlimmer.»
    Na toll. Teile ihr mit, keinen Wert auf ihre Vordiagnosen zu legen. Das wollen wir doch mal lieber der Ärztin überlassen, und überhaupt sei so was am Telefon ja wohl nicht seriös zu beurteilen.
    Die Sprechstundenhilfe entschuldigt sich für ihre Vorwitzigkeit. Es gebe aber einen Schnelltest, mit dem man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen könne, ob es Grippe oder grippaler Infekt sei. Ich solle mich doch einmal nach vorne beugen, meinen Kopf durch die gespreizten Beine stecken und versuchen, mir selbst in die linke Hacke zu beißen.
    Lege den Hörer zur Seite. Bewege den Kopf langsam nach vorn, Richtung Beine. Verliere das Gleichgewicht, stürze ins Altpapier und rocke dann mit meinem Hintern scheppernd das Altglas. Höre aus dem Hörer ein lautes und fröhliches Lachen. Ziehe mich zum Telefon, stöhne: «Ich hab’s leider nicht geschafft. Heißt das, ich habe doch die richtige Grippe?»
    Sie lacht immer noch. «Nein, nein. Für den Grippe-Schnelltest bräuchten wir selbstverständlich eine Speichelprobe. Das war nur der Schnelltest, ob Sie eine miese Körperbeherrschung haben und ein Idiot sind. Glückwunsch, beides trifft zu. Ist aber nur vorläufig, eine genaue, seriöse, endgültige Diagnose kann natürlich nur die Ärztin stellen.» Dann gibt sie mir einen ganz schnellen Termin. Ich glaube, sie mag mich.
    Mir wird schwindlig, als hätte erneut jemand mit einem riesigen Klöppel auf diesen großen Klangeimer auf meinem Kopf geschlagen. Sinke zurück ins Altglas. Lächle. Rufe mit letzter Kraft zur Freundin: «Mein Plan ist es, innerhalb der nächsten zwei Stunden wieder aufzustehen und zur Ärztin zu gehen. Würdest du, wenn ich die Wohnung verlasse, bitte kontrollieren, ob ich Kleidung trage?»
    Sie sagt irgendwas, was ich wegen des Dröhnens der Klangschale nicht verstehe.
    Rufe zurück: «Ach ja, und falls ich innerhalb von vierundzwanzig Stunden nicht zurück bin, habe ich die Sprechstundenhilfe geheiratet und bin mit ihr durchgebrannt.»
    Die Freundin meint:
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