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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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toten Maus auf der Fußmatte ganz sicher nicht besser.
    Erkundige mich bei Freundin und Tochter, ob vielleicht eine von ihnen eine tote Maus bestellt hat. Beide versichern mir glaubwürdig, dass dem nicht so sei. Sie glauben sogar, ich würde einen Scherz machen. Warum sollte ich? Sehe ich aus wie jemand, der vor sieben Uhr morgens Scherze macht? Wenn es nach mir ginge, würde ich vor sieben Uhr morgens gar nicht existieren.
    Hole ein Kehrblech, schiebe die Maus drauf und zeige sie dann zum Beweis den beiden, die übrigens noch im Bett liegen. Es kommt zum Streit. Für die Uhrzeit ein viel zu lauter Streit. Zudem weiß ich gar nicht, ob Streit überhaupt der richtige Begriff ist, wenn nur die eine Seite die andere anschreit. Der Kern der an mich gerichteten Vorwürfe:
    a) Ich sei eklig, würde
    b) meinen Scherz bei weitem übertreiben und solle
    c) doch um Gottes willen das Kehrblech gerade halten.
    Wobei, wenn das jetzt wirklich sooo wichtig war, war es natürlich ziemlich dämlich, mich dermaßen anzuschreien. Klar, dass ich mich dadurch erschrecke. Also in einer Heftigkeit erschrecke, dass ich dann auch das Kehrblech unabsichtlich … also vor Schreck … wer kennt das nicht?
    Obwohl die Berührung nur ganz kurz war, musste ich später die gesamte Bettwäsche wechseln und die Matratzen ausklopfen. Dabei war es fast gar kein Kontakt, eher nur ein Streifen ohne wirklichen Verweilmoment. Aber bei Kleinnagern in der Wohnung oder im Bett zeigen Damen, gleich welcher Generation, ja tendenziell eher wenig Interesse an rationalen Bewertungen.
    Mich bannte sowieso längst mehr das Rätsel. Ich weiß natürlich, dass tote Tiere beispielsweise in Mafiafilmen klare Botschaften transportieren. Ein toter Singvogel in der Post heißt, man spricht mal besser nicht mit der Polizei. Ein Pferdekopf im Bett, glaube ich, man soll sich von einer bestimmten Frau fernhalten, wohingegen ein abgestochener Ziegenbock im Kofferraum bedeutet – weiß ich jetzt gar nicht mehr genau, ich glaube, «Vorfahrt achten!» oder so etwas in der Art. Ich dachte also, was jeder vernünftige Mensch denken würde. Ich dachte: Was in Gottes Namen will mir die Mafia mit einer toten Maus auf der Fußmatte sagen? Doch obwohl ich daraufhin mehrere Mafiafilme sichtete, kam ich zu keinem brauchbaren Ergebnis. Beschloss schließlich: Die werden sich vertan haben. Kann ja mal passieren. Falsch verbunden sozusagen. Blöd nur für den, der in Kürze mit Betonfüßen in der Spree versenkt wird und sich zu Recht wundert, warum ihm eigentlich niemand vierundzwanzig Stunden vorher die obligatorische tote Maus auf die Fußmatte gelegt hat. Na, der wird sich ärgern. Seine Familie wird vom Verfall der Sitten sprechen. Solche Klagen führt man in diesen Kreisen ja schnell.
    Ich hätte das Ganze bald wieder vergessen, wäre es nicht drei Tage später noch mal erheblich ekliger geworden. Da liegt nämlich erneut eine Maus auf der Fußmatte. Diesmal jedoch schon einigermaßen zerfetzt. In quasi vier Teilen läppert sie so über die Fußmatte. O guck mal, denke ich, die Mafia stottert!
    Als ich aber die Mausteile aufs Kehrblech heben will, steht sie plötzlich direkt vor mir. Völlig regungslos, mit einem leicht angewiderten, fast spöttischen Blick starrt sie mich an und schnurrt gelangweilt: die Katze von Janni Schneider, der jungen Pharmaziestudentin, die vor drei Monaten im ersten Stock eingezogen ist.
    Kurze Zeit später, also circa dreißig Sekunden später, spreche ich Frau Schneider auf diesen Vorfall an. Sie nickt traurig und schuldbewusst. So etwas habe sie leider schon befürchtet. Hildegard von Bingen, also ihre Katze, stromere im Hof rum und habe leider die Angewohnheit, Mäuse oder Vögel zu fangen und dann ins oberste Stockwerk zu bringen. Die Katze meine das als Geschenk. Sie, also Frau Schneider, habe leider auch keine Ahnung, wie man ihr das abgewöhnen könne. Ob es mich denn wirklich sehr störe, wenn mir Hildegard von Bingen alle drei, vier Tage eine tote Maus oder einen Vogel auf die Fußmatte legen würde?
    Muss zugeben, dass ich dazu bislang noch gar keine so gefestigte Meinung habe.
    An dieser Stelle sollte ich kurz erwähnen, dass ich ein Bauernhofkind bin. Der Tod von Tieren war für mich schon immer eine der normalsten Sachen der Welt. Mit fünf Jahren hatte ich meine erste, ganz bewusste Begegnung mit dem Tod. Das war, als der Zuchtbulle Apollo, den mein Großvater für unsere Kühe gemietet hatte, während seiner Arbeit einen Herzinfarkt erlitt
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