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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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und direkt verstarb. Ein schöner Tod, meinten damals viele im Ort. Aber was wissen die schon? Ich glaube ja, so schön ist das gar nicht. Außerdem kennen Lebende den Tod doch ohnehin nur vom Hörensagen. Und selbst das meist nicht aus erster Hand. Mich hat diese Todesursache seinerzeit jedenfalls einigermaßen verstört. Zumal mein Großvater mir zuvor erklärt hatte, der Zuchtbulle Apollo würde mit unseren Kühen nur zusammen singen, und dadurch bekämen diese in einigen Monaten Kinder, also Kälber. Ich fand das völlig einleuchtend, und auch er dachte, dies sei eine kluge Erklärung, da Bulle und Kühe ja bei der Zucht einen gehörigen Lärm veranstalteten.
    Nach Apollos Tod jedoch ergaben sich hieraus sehr viele Fragen für mich.
    War es möglich, dass man durch gemeinsamen Gesang sterben konnte? Wie funktionierte dieser Tod durch Gesang? Galt das auch für Menschen? Und wenn ja, galt es nicht nur für das Sterben, sondern auch für das Kinderkriegen, bekamen also auch Menschen durch gemeinsamen Gesang Kinder? Und falls ja, warum hatten dann beispielsweise Cindy und Bert nicht Tausende von Kindern?
    Mein Großvater erklärte mir später, Apollo sei einfach nur sehr müde gewesen. Aus Geldgier habe ihn sein Zuhälter, also der Besitzer des Zuchtbullen, einfach viel zu oft singen lassen.
    Wie dem auch sei. Ich erlaube mir diese Abschweifung nur, um mein Verhalten zu erklären. Als Bauernhofkind, für das tote Tiere etwas völlig Natürliches, Normales sind, schlug ich nämlich vor, Hildegard von Bingen einfach einschläfern zu lassen und dafür eine neue, besser erzogene Katze zu besorgen. Das schien mir alles in allem sehr vernünftig und durchdacht.
    Haben aber nicht alle so gesehen. Im Gegenteil. Plötzlich war ich der Böse. Bei Frau Schneider und auch in der eigenen Familie. Daher werde ich nun, zur Buße, etwas tun müssen, was ich meinem Großvater niemals hätte erklären können. Ich werde gemeinsam mit Frau Schneider und Hildegard von Bingen jemanden aufsuchen, von dem ich bis vor kurzem nicht mal wusste, dass wir einen gemeinsamen Planeten bewohnen: einen Katzenpsychologen, der wohl, wenn ich es richtig verstanden habe, durch eine Art Hypnose Hildegard von Bingen davon abbringen will, tote Mäuse vor unsere Tür zu legen. Oder, wenn das nicht klappt, mich dazu bringen möchte, dass ich mich entweder über die toten Mäuse von Herzen freue oder sie gar nicht mehr sehe oder doch vielleicht sogar vor sieben Uhr morgens noch gar nicht existiere oder noch mal irgendwas anderes. Ich bin sehr gespannt.
    Nur eines möchte ich noch erwähnen. Zwei unserer Kühe sind damals trotz allem noch schwanger, also trächtig geworden. Vom Erlös eines der beiden Kälber wurde später mein erstes Fahrrad gekauft, mit dem ich Fahrradfahren gelernt habe. Bis heute denke ich daher jedes Mal, wenn ich mich im Frühling wieder aufs Rad schwinge, welch hohen Preis Apollo einst dafür gezahlt hat, dass ich heute diese schöne Kunst des Fahrradfahrens beherrsche. Und auch deshalb macht mich der Frühling ohnehin schon immer ein wenig schwermütig.

So gut möchte man es auch mal haben
    Während des Elternabends erfahre ich, dass es in gut zwei Wochen einen Studientag geben wird. Für die Lehrer. Für die Kinder bedeutet das schulfrei, und für die Eltern, dass sie sich überlegen müssen, wie sie die Kinder an diesem Tag versorgen. Ich mache nie große Pläne für solche Tage, irgendwas ergibt sich schon, oder man hängt sich einfach an die Ideen anderer dran. Andere Eltern sind da anders. Die haben manchmal sogar ganz ausgefeilte, raffinierte Pläne.
    Bevor wir auseinandergehen, fragt mich Sergejs Vater sehr laut und quer durch den Raum, ob es denn stimme, dass ich mich bereit erklärt hätte, mit den Kindern am Studientag ins Schwimmbad zu gehen.
    Antworte schlagfertig: «Häh?»
    Er strahlt mich an: «Ja, wenn du sowieso den Tag über nichts zu tun hast, kannst du dir doch mal einen richtig schönen, entspannten Vormittag mit den Kindern im Schwimmbad machen.»
    Ich präzisiere meine erste Antwort durch fassungsloses Schweigen.
    Nun kommen auch alle anderen Eltern und beglückwünschen mich. «Was für eine schöne Idee! Mal tagsüber ins Schwimmbad gehen können, na, das ist doch toll. So gut möchten wir es aber auch mal haben.»
    Finde meine Sprache wieder. Sage: «Ich will nicht ins Schwimmbad!»
    Die anderen Eltern reden jetzt erheblich lauter, damit sie mich nicht hören können. «Das wird bestimmt nett im Schwimmbad.
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