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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
Autoren: Horst Evers
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nach. Die Leiche steht vor der Tür und fragt, ob sie mal auf Toilette kann. Frage den Mann, ob er nicht gerade noch tot war. Er meint: Ja, ja, aber das sei nur sein Job. Es gehe um eine neue Erhebung zur Qualität der Wohnlage. Unter anderem werde erforscht, in welchen Vierteln man als Leiche wie schnell gefunden werde. Ich ziehe die Augenbraue hoch.
    – Ach. Und was bedeutet das dann?
    – Na ja, je eher man gefunden wird, desto besser ist das dann natürlich für die Wohnlage.
    – Verstehe, das heißt, wenn Sie hier morgens sehr früh im Treppenhaus gefunden worden wären, hätte das womöglich in diesem Viertel bald zu steigenden Mieten geführt?
    – Hm, in Verbindung mit anderen die Wohngegend aufwertenden Kriterien womöglich ja.
    Lasse ihn auf die Toilette, renne in die Küche, sage der Freundin, sie solle unserem leichenblassen Toilettengast beim Rausgehen ruhig noch vom häufigen nächtlichen Hundegebell in dieser Gegend erzählen und verabschiede mich dann zum Brötchenholen.
    Denke: Es ist immer wieder erstaunlich, wie oft das definitiv falsche Verhalten am Ende irgendwie doch die beste Lösung ist.

Der «Ich-hör-gar-nicht-mehr-zu-Sack»
    Bin in Paderborn vor einem heftigen Regenschauer in ein Café geflüchtet und lese dort jetzt in einer der ausliegenden Zeitschriften. Die Atmosphäre ist seltsam. Ein Mann rennt ständig quer durch den Raum. Es gibt wohl nur eine frei zugängliche Steckdose im Café, an der er den Akku seines Laptops aufladen kann. In dieser Ecke hat er aber wegen des dicken historischen Gemäuers kein Netz fürs Handy. Deshalb guckt er in der einen Ecke ständig etwas am Computer nach, rennt dann in eine Caféregion mit Handyempfang, um dort etwas ins Taschentelefon zu brüllen, bis er wieder zum Laptop rennen muss, um hier erneut auf den Bildschirm zu schauen. Das schafft eine ziemliche Unruhe in diesem eigentlich so beschaulichen Café.
    Zwischendurch hat er schon versucht, das Handy einfach in der Ecke mit Empfang liegen zu lassen, auf Lautsprecher zu schalten und dann vom Laptop aus quer durchs Café zum Handy rüberzubrüllen. Aber das hat ihm die Bedienung schnell verboten.
    Mein Zeitschriftenartikel ist ähnlich verstörend. Dort beweist jemand haarklein und schlüssig, dass, wenn das Bevölkerungswachstum in den asiatischen Ländern so anhält und in Europa weiter so stagniert, in sechzig bis siebzig Jahren quasi alle unsere Kinder Chinesen sein werden. Na ja. Abgesehen davon, dass ich gar nicht weiß, ob ich in sechzig Jahren noch mal Kinder bekommen möchte, und selbst wenn, dann ja auch die Freundin einverstanden sein müsste, glaube ich nicht, dass unsere Kinder dann Chinesen wären. Es sei denn, wir würden in China leben. Aber warum sollten wir? Und selbst wenn, in sechzig Jahren bin ich hundert Jahre alt. Wenn man in diesem Alter noch mal Vater wird, sollte man wirklich nicht erwarten, dass das Kind einem ähnlich sieht. Wäre ja auch für das Kind nicht schön.
    Denke manchmal bei den ganzen siebzigjährigen Männern, die noch mal Vater werden, dass ich als kleines Kind auch geglaubt habe, ich könnte den Fernseher durch Zauberkraft an- und ausschalten. Dabei hat mein großer Bruder das heimlich mit der Fernbedienung gemacht. Aber das ist vielleicht auch ein unglücklicher Vergleich.
    Der Mann mit dem Handy hat mittlerweile Gesellschaft bekommen. Zwei weitere Herren sind jetzt in die kleine Ecke mit Empfang gegangen, um da zu telefonieren. Misstrauisch beäugen sie sich. Sie vermuten wohl, einer könnte dem anderen das Netz wegempfangen. Sie könnten auch rausgehen, aber es regnet heftig. Da muss man sich entscheiden. Kein Netz oder nass werden. In dieser Ecke von Paderborn gibt es im Moment leider nur zwei Quadratmeter überdachtes Handynetz.
    Das Gespräch eines der Männer nimmt einen unglücklichen Verlauf. Er wirkt zunehmend defensiv, man hört den Gesprächspartner durchs Telefon schreien.
    Entschließe mich zu einer guten Tat. Gehe zu dem Mann und zerre ihn am Arm aus dem Handyempfangsbereich. Anfangs ist er verwirrt, aber dann begreift er das Geschenk, ruft noch in den Hörer: «’tschuldigung, das Netz wird schwächer!» Man hört es Knistern, Knacken, dann ist das Gespräch weg. Er lächelt. Hier ist er erst mal sicher, er darf das Funkloch nur nicht verlassen.
    Holger, ein Freund, hat mir vor einiger Zeit mal eine Erfindung vorgestellt. Den «Kein-Netz-Sack». Einen Sack, der jedes Handynetz unterdrückt und den man bei Bedarf, wenn Gespräche blöd
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