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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief
Autoren: Susan Abulhawa
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das Kind
viel schwerer war, als Yussuf erwartet hatte, und dazu noch strampelte, ließ er es fallen. Im Sturz blieb das Gesicht des Babys an einem Nagel hängen, der die Haut der Länge nach aufriss, von der Wange bis auf Höhe des rechten Auges.
    Dieser Tag hinterließ eine Narbe, die Ismaels Gesicht für immer zeichnen und ihn am Ende zur Wahrheit führen sollte.

4
Die Vertreibung
    1947 – 1948
    K urz nach Hasans und Dalias Hochzeit reiste Ari Perlstein ab, um sein Medizinstudium aufzunehmen. Obwohl die beiden Freunde jeweils ihren eigenen Weg gegangen waren, hatten sie den Kontakt zueinander nicht vollständig abreißen lassen. Als Basima starb, ließ Ari sich von der Uni befreien, um ihr Dahinscheiden mit Hasan in Ein Hod zu betrauern.
    Die Luft war klar und frisch, als Hasan und Ari nachmittags die Trauerzeremonie verließen, die insgesamt vierzig Tage dauerte. Der einschläfernde Klang rezitierter Koransuren drang aus Yahya Abulhijas Haus und wurde schwächer, während Hasan und Ari in Richtung der Olivenhaine davongingen.
    »Es ist sehr schlimm, Hasan«, sagte Ari. »Die Zionisten haben Berge von Gewehren. Aus den Unmengen von Juden, die täglich hier von Bord gehen, haben sie eine Armee rekrutiert. Du weißt nicht alles, Hasan. Sie haben Panzerwagen und sogar Flugzeuge.«
    Hasan ließ seinen Blick über das Land schweifen, das er eines Tages erben würde. Dieses Jahr sieht es nach einer guten Ernte aus. Der Klang einer Nai wirbelte über die Baumkronen,
und Hasan wandte sich instinktiv in Richtung Friedhof. Er blinzelte, um zu sehen, ob sein Vater dort war. Niemand. Nur eine Melodie, in der Mitte still und wie ausgehöhlt, als ob die Nai weinte.
    »Hasan, sie werden Land besetzen. Sie haben eine weltweite Kampagne gestartet, in der sie Palästina als ›ein Land ohne Volk‹ bezeichnen. Sie werden es zu ihrer Heimat machen.«
    »Vater sagt seit Jahren, dass so etwas passieren würde, doch es schien so weit hergeholt.«
    »Es ist wahr, Hasan. Du weißt, dass die Vereinten Nationen sich im November versammeln werden. Alle glauben, dass sie das Land teilen werden. Sie sind sehr gut organisiert, und wie du weißt, haben die Briten die Araber nach dem Aufstand vor ein paar Jahren entwaffnet. Einige der orthodoxen Juden in der Stadt haben eine Anti-Zionisten-Kampagne organisiert. Sie halten die Schaffung eines Staates Israel für ein Sakrileg. Doch mächtige Männer in Amerika versuchen ohne Rücksicht auf Verluste, Truman davon zu überzeugen, einen jüdischen Staat hier anzuerkennen und zu unterstützen.« Ari war seine Erschütterung anzusehen.
    »Und was hältst du davon? Ich meine davon, hier einen jüdischen Staat zu errichten?«, fragte Hasan, eine Olive zwischen den Fingern zerdrückend, um zu prüfen, wie die Ernte im November ausfallen würde. Die Ernte wird Vaters Verzweiflung lindern.
    »Ich weiß es nicht, Hasan.« Ari senkte den Blick, setzte sich auf einen Stein und begann mit den Fingern im Staub zu spielen. »Ich bin Jude. Ich denke, es ist falsch. Aber du weißt nicht, was wir durchgemacht haben.« Aris Stimme begann zu zittern. »Was geschehen ist, hat uns das Leben gekostet, auch wenn wir davongekommen sind. Hast du je bemerkt, wie leer der Blick meiner Mutter ist? Sie ist innerlich tot. Vater auch.
Hasan, du weißt nicht, wie es war. Und jetzt wissen wir nicht, ob wir hier noch sicher sind. Vater hält das, was sie tun, entschieden für falsch und will nichts damit zu tun haben. Doch wir sind hier nicht mehr sicher. Es gibt Gerüchte, dass die Briten abziehen. Dann wird es so kommen. Sie sind entschlossen, aus diesem Land einen jüdischen Staat zu machen. Aber ich denke, wenn die Araber es akzeptieren, wird alles gut, und wir können zusammenleben.«
    Hasan setzte sich neben Ari auf den Boden. »Du sagtest doch gerade, dass sie einen ›jüdischen‹ Staat gründen wollen.«
    »Ja. Aber ich denke, sie werden die Araber weiter hier wohnen lassen.« Die Worte waren aus Aris Mund herausgerutscht, ehe er sie zurückhalten konnte.
    »Diese Einwanderer werden mich also auf meinem eigenen Land dulden?« Hasans Stimme hob sich.
    »Hasan, so habe ich das nicht gemeint. Du bist wie ein Bruder für mich. Ich würde alles für dich oder deine Familie tun. Doch was in Europa geschehen ist …« Aris Worte verklangen und ließen die schrecklichen Bilder, die sie beide von den Vernichtungslagern gesehen hatten, in ihrem Innern wieder aufleben.
    Hasan zerquetschte eine weitere Olive, als versuchte er, Aris
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