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Waechter des Labyrinths

Waechter des Labyrinths

Titel: Waechter des Labyrinths
Autoren: Will Adams
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Körper ging. Als routinierte Medizinerin reagierte Claire sofort. Sie drängte sich an Augustin vorbei und kniete sich neben den Mann. «Krankenwagen», sagte sie knapp. Augustin eilte um das Bett herum, griff nach dem Telefon und wählte.
    Der Mann öffnete die Augen und gab ein leises Röcheln von sich. Als er zu sprechen versuchte, rann blutiger Speichel aus seinem Mundwinkel. Claire tupfte ihn mit einer Ecke der Tagesdecke ab. Wieder wollte er sprechen, doch sie schüttelte nur den Kopf. Der Mann musste seine Kräfte schonen. Als er es weiter versuchte, schob Knox hastig das Bett zur Seite, kniete sich ebenfalls hin und hielt ein Ohr dicht vor seinen Mund. Aber die Stimme des Mannes war so schwach, dass er kaum mehr verstehen konnte als ein paar undeutliche Silben. Er schaute Claire fragend an. «Elysium?», mutmaßte er.
    «Vielleicht», meinte sie achselzuckend.
    «Wer ist das überhaupt?», fragte Knox und richtete sich wieder auf.
    «Roland Petitier», sagte Augustin, der noch darauf wartete, dass sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete.
    Knox nickte. Ein früherer Archäologieprofessor von Augustin, der vor fast zwanzig Jahren spurlos verschwunden war, nur um vor ein paar Wochen unerwartet wieder aufzutauchen. Am folgenden Nachmittag sollte er einen Vortrag auf der Konferenz halten. «Aber was macht er hier im Zimmer?»
    Augustin zuckte mit den Achseln, als wollte er jede Verantwortung von sich schieben. «Vorhin klopfte es an meiner Tür. Ich dachte, du bist es, um mich zum Flughafen zu bringen. Aber nein, er war’s. Nach zwanzig Jahren. Er meinte, sein Zimmer sei noch nicht fertig, und fragte, ob er so lange hierbleiben kann. Ich habe ihm gesagt, dass das nicht geht, weil ich gerade auf dem Weg zum Flughafen bin, um meine Verlobte abzuholen. Aber er schwor beim Leben seiner Mutter, dass er schon weg wäre, wenn wir zurückkommen. Beim Leben seiner Mutter!»
    «Du kannst ihm kaum die Schuld geben, dass …»
    Augustin hob einen Finger. An der Rezeption hatte endlich jemand abgenommen. «Ein Notfall», sagte er schnell. «Zimmer fünfhundertdreizehn. Wir brauchen einen Krankenwagen.» Er horchte einen Moment. «Nein. Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen.» Wieder hielt er inne. Dann schaute er sich im Zimmer um. «Nein, ich glaube nicht.»
    Claire hatte Petitiers Kopf nach hinten geneigt und sich über seinen Mund gebeugt. «Er hat aufgehört zu atmen», sagte sie mit beeindruckender Ruhe. «Sie sollen einen Defibrillator mitbringen.» Während Augustin ihre Worte wiederholte, begann sie energisch mit der Reanimation und drückte mit beiden Händen fest auf Petitiers Brust. Knox trat zur Seite, um ihr Platz zu machen, und überlegte, was geschehen sein konnte.
    Das Zimmer war praktisch identisch mit seinem und Gailles, das sich eine Etage höher befand. Der blaue Teppich war abgenutzt, die Betten hingen in der Mitte leicht durch. Der Spiegel auf der Kommode hatte dunkle Flecken, genauso das Glas der gerahmten Fotos von der Akropolis, von Mykene und Epidauros, die an den Wänden hingen. Im Bad war ein Plätschern zu hören. Als Knox die Tür öffnete, sah er heißes Wasser in die Wanne laufen. Unter der Decke standen bereits dichte Dunstwolken. Er wollte das Wasser abstellen, hielt aber inne, weil ihm plötzlich bewusst wurde, dass dies der Tatort sein konnte. Also ging er wieder hinaus und schloss die Tür.
    Ein schwarzer Laptop lag neben dem Bett. Er wirkte sperriger als Augustins, vermutlich gehörte er Petitier. Wieder rührte Knox nichts an. Eine Brise bauschte den Vorhang vor der Balkontür auf, rote Flecken waren auf dem Stoff zu sehen. Vorsichtig schob er ihn zur Seite. Die Glasschiebetür war weit geöffnet. Er ging hinaus auf den Balkon. Der Plastiktisch und die beiden Stühle waren umgekippt, entweder vom Wind oder durch einen Kampf. Auf dem Boden lag eine Reisetasche, deren altes braunes Leder aufgerissen und deren Inhalt herausgefallen war: Unterwäsche, Hemden und Hosen. Er beugte sich über das Geländer und schaute an den darunterliegenden Balkonen vorbei in die schmale Gasse, in der rostige Container standen, die mit Hotelmüll gefüllt waren. Er schaute nach links und rechts. Mit spitzen Zacken versehene Geländer trennten die Nachbarbalkone voneinander, aber jeder, der kein Problem mit der Höhe hatte, konnte sich mühelos darüberschwingen. Außerdem würde man dabei kaum gesehen werden.
    Als er wieder ins Zimmer trat, stand Augustin neben Claire. Offenbar wollte er helfen,
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