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Waechter des Labyrinths

Waechter des Labyrinths

Titel: Waechter des Labyrinths
Autoren: Will Adams
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Wert es hatte oder wer dieser große Mann war, der es gemalt hatte. Alles, was sie wussten oder was sie interessierte, war, wie viel etwas kostete.
    Irgendwo im Gebäude ging eine Tür auf, und wüstes Gelächter war zu hören. Bestimmt fand dort wieder eines der berüchtigten ausschweifenden Gelage der Nergadses statt. Edouard verachtete es, wenn sich die Menschen derart hemmungslos der Unersättlichkeit, Lüsternheit und Trunkenheit hingaben – aber er musste zugeben, dass es schön gewesen wäre, all das zur Abwechslung einmal als Gast zu verachten.
    Vor der Wand standen zwei Glasvitrinen, in denen Goldschmuck, Gefäße, Ornamente und Münzen aus Kolchis lagen. Die Stücke waren ihm vertraut. Sie gehörten zu einem Schatz, der vor Jahrzehnten in einem verlassenen Brunnen im Bergland von Turkmenistan jenseits des Kaspischen Meeres entdeckt und dort im Nationalmuseum von Aschchabad ausgestellt worden war. Man hatte lange gewusst, dass viele der Stücke georgisch waren, doch erst vor kurzem hatte die turkmenische Regierung einen Verkauf gebilligt. Edouard war selbst nach Aschchabad geflogen, um den Erwerb und die Rückführung auszuhandeln. Obwohl er das Geld der Nergadses verwendet hatte, war die Abmachung eindeutig gewesen: Er hatte die Schätze im Namen des georgischen Staates gekauft, damit sie im Nationalmuseum ausgestellt werden konnten. Tagelang hatte sich Ilja Nergadse für seine Großzügigkeit in der Öffentlichkeit feiern lassen. Doch die Goldstücke waren nie im Nationalmuseum angekommen. Sie lagen hier, wo kein normaler Georgier sie jemals zu sehen bekommen würde.
    Draußen näherten sich forsche Schritte, dann schlugen die Flügeltüren auf, und Ilja Nergadse marschierte herein, dicht gefolgt von seinem Sohn Sandro und einem Mitglied seiner kleinen persönlichen Leibgarde. Der alte Ilja erschien stets im Marschschritt, wie ein General am Morgen der Schlacht. Er war groß und extrem dünn, hatte eine hohe Stirn, eine flache Nase und schmale Lippen, so als wäre das Leben ihm gegenüber unverzeihlich grausam gewesen, und nicht zu denen, die in seinen Einflussbereich geraten waren. Sein Haar und seine Augenbrauen, vor kurzem noch schneeweiß, waren jetzt schwarz gefärbt, seine Haut war sichtlich geliftet und mit Botox gestrafft worden. Eigentlich hätte dieser Versuch, jünger zu erscheinen, lächerlich wirken müssen, nur dass Menschen wie er nie lächerlich wirkten – erst recht nicht, wenn man sich in ihrer Gesellschaft befand.
    «Ich bin dankbar, dass Sie mich hergebeten haben», sagte Edouard, als er sich zu ihnen an den Konferenztisch setzte. «Wir müssen endlich die Überführung der …»
    «Alles zu seiner Zeit», sagte Sandro, der ihm gegenübersaß. Er galt als der Diplomat der Familie, weshalb man ihn zum Leiter der Wahlkampagne seines Vaters im Kampf um die Präsidentschaft ernannt hatte.
    «Aber es wird schon darüber geredet», erwiderte Edouard. «Meine Kollegen im Museum fragen mich ständig, wann sie …»
    «Er sagte, alles zu seiner Zeit», unterbrach ihn der Leibwächter.
    Edouard betrachtete ihn verärgert. Normalerweise wussten Nergadses Leibwächter ganz genau, dass sie in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten den Mund zu halten hatten. Aber dieser wirkte gelassener als die anderen. Er war ungefähr vierzig und trug einen Rollkragenpullover unter seinem schwarzen Jackett. Außerdem war er unrasiert, vielleicht um die Narbe auf seiner Wange besser zur Geltung zu bringen, denn dort wuchsen keine Stoppeln. «Entschuldigen Sie», sagte Edouard steif. «Ich glaube, wir kennen uns noch nicht.»
    «Das ist Boris Dekanosidse», sagte Sandro. «Mein Sicherheitschef. Ich wollte, dass Sie ihn kennenlernen, denn Sie werden die nächsten Tage zusammenarbeiten.»
    «Wie bitte?»
    «Sie fliegen heute Abend nach Athen. Genauer gesagt, direkt nach diesem Treffen.»
    «Ich werde nichts dergleichen tun», entgegnete Edouard. «Ich dachte, ich hätte klar zum Ausdruck gebracht, dass ich keine weiteren Aufträge annehmen werde, bis Sie Ihre …»
    «Sie werden jeden Auftrag annehmen, von dem wir wollen, dass Sie ihn annehmen», sagte Ilja.
    «Es bleibt noch genügend Zeit, die Überführung des Schatzes abzuschließen, wenn Sie zurück sind», fügte Sandro etwas versöhnlicher hinzu. «Doch im Moment gibt es eine dringende Angelegenheit, bei der wir Ihre Hilfe benötigen.» Er nickte Boris zu, der einen Aktenordner über die polierte Tischplatte schob. Edouard öffnete ihn widerwillig und las mit
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