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Wächter der Venus

Wächter der Venus

Titel: Wächter der Venus
Autoren: H. G. Ewers
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Horizont blähte sich ein blauweißer Glutball auf, dehnte sich rasch aus, wobei seine Farbe alle Möglichkeiten des Spektrums durchlief, und sank ebenso rasch wieder in sich zusammen.
    Ich wußte, daß es sich um den vulkanischen Ausbruch einer Energie handelte, die zum größten Teil aus radioaktiver Strahlung bestand. Jeder Mensch, der sich an meiner Stelle aufgehalten hätte, würde eine Dosis aufgenommen haben, die ausreichte, die halbe Bevölkerung von Overyork zu töten. Selbst der beste Raumanzug schützte nicht davor.
    Aber ich war kein Mensch – ich war ein Venusier.
    Schneller als zuvor bewegte ich mich weiter über den Sand. Niemand konnte voraussagen, welche neuen Mutationen der Umweltfaktoren von dem Strahlenausbruch bewirkt wurden und ob ich mich daran würde anpassen können. Ich mußte so bald wie möglich die Station finden.
    Der Sturm brachte winzige leuchtende Partikel mit, die die Atmosphäre gleich einem ungewöhnlich starken Meeresleuchten erfüllten. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, ein schwaches Geräusch vernommen zu haben. Doch ich hatte mich sicher getäuscht. Venusier besaßen kein Gehör.
    Gleichmäßig und unermüdlich arbeiteten meine Beine, wirbelten den staubfeinen, glühend heißen Sand auf und ließen eine kurzlebige Spur zurück, die an das Kielwasser eines Motorbootes erinnerte.
    Eine halbe Stunde mochte derartig in völliger Ereignislosigkeit verstrichen sein, als das imaginäre Ticken des Detektorgerätes anschwoll. Die Intervalle wurden kürzer, die einzelnen »Töne« stärker.
    Ich hielt an und suchte die Umgebung mit meinen Radarorganen ab.
    Kurz darauf entdeckte ich die biegsame Markierungsantenne, die schräg aus dem braungelben Sand herausragte.
    Zwei Meter Höhe, schätzte ich. Da die Antenne insgesamt neunzig Meter lang war, bedeutete das, daß die Plattform MOBY DICK achtundachtzig Meter tief unter dem venusischen Sand begraben lag.
    Mich störte diese Erkenntnis nicht. Ohne zu zögern, grub ich mich in den Sand ein. Unter der Oberfläche kam ich schneller voran als oben. In schräger Bahn näherte ich mich dem Standort der Plattform. Das lautlose Ticken des Detektors verwandelte sich in ein stetiges Rattern und wies mir den Weg.
    Ungefähr eine Viertelstunde, nachdem ich die Markierungsantenne entdeckt hatte, erreichte ich die Station.
    MOBY DICK war ein diskusförmiges Gebilde von vierunddreißig Metern Durchmesser. Stabilisierungsflossen hielten sie im Sand in einer halbwegs horizontalen Lage. Kleine Schleusen lagen dicht beieinander an der Schmalseite; sie dienten den „Sandschwimmern“, kleinen Spezialfahrzeugen der Stationsbesatzung, als Ein- und Ausfahrten. Mannschleusen befanden sich sowohl auf der oberen als auch auf der unteren Polkuppel.
    Ich wählte den unteren Einstieg, um möglichst wenig Sand in die Schleusenkammer eindringen zu lassen. Vier wuchtige, aber nur kurze Stützbeine auf breiten Auflagetellern verhinderten, daß MOBY DICK auf den felsigen Untergrund sank. Ich ruderte zwischen ihnen hindurch und näherte mich dann etwas langsamer dem äußeren Schleusenschott.
    Ich wußte nicht, was ich wirklich erwartet hatte, aber ich hatte bestimmt nicht vermutet, hinter dem Panzerschauglas die grüne Kontrollampe leuchten zu sehen. Natürlich sah ich nicht die Farbe; ich orientierte mich an der Lampenanordnung.
    Grün, das bedeutete: Die Schleuse war ordnungsgemäß verriegelt und mit Luft gefüllt und konnte auf die übliche Art und Weise geöffnet werden, nämlich mit Hilfe des elektrisch betriebenen Mechanismus.
    Ich brauchte also den in meinem Kopf eingepflanzten Laserstrahler nicht zu benutzen.
    Mit dem stumpfen Maul stieß ich gegen den Entriegelungsknopf. Die Farbe des Kontrollichts wechselte sekundenlang zu Gelb, dann wieder zu Grün.
    Gleich darauf fuhr mir ein kalter Luftstrom entgegen, der sich in dem Maß verstärkte, wie die beiden Hälften des Schleusenschotts auseinander glitten. Der Luftstrom wirbelte den Sand fort, und ich stürzte plötzlich auf den felsigen Untergrund. Nur mühsam vermochte ich mich an der Unterkante des Einstiegs emporzuziehen und in die Schleusenkammer zu kriechen.
    Hinter mir schlugen die Schotthälften wieder gegeneinander.
    Als das Innenschott sich öffnete, kroch ich hastig hindurch. Die Innenbeleuchtung der Vorkammer schaltete sich automatisch an.
    Ich sah mich prüfend um.
    Nichts deutete darauf hin, daß die Venusier sich mit Gewalt Eingang in die Station verschafft hatten. Das Kernkraftwerk in
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