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Wächter der Venus

Wächter der Venus

Titel: Wächter der Venus
Autoren: H. G. Ewers
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der unteren Region vibrierte; frische Luft – Erdluft – strich ungewohnt kalt und feucht aus den Öffnungen der Umwälzanlage, und für einen Augenblick erwartete ich, einen Mann der Besatzung vor mir auftauchen zu sehen.
    Aber niemand kam.
    Dennoch verhielt ich mich so still wie möglich, als ich mich auf die Platte des Lifts schob und den Aufwärtsknopf drückte. Langsam stieg die enge Kabine nach oben. Die Ausstiege der einzelnen Decks blieben unter mir zurück. Ich fuhr bis zum Kommandodeck hinauf. Dort hoffte ich am ehesten Aufklärung über die rätselhaften Vorgänge zu erlangen.
    Als die Kabine anhielt, wartete ich fast eine Minute lang. Doch wieder regte sich nichts. Der Analysator an einem meiner Rückenrezeptoren zeigte mir an, daß an Bord von MOBY DICK absolut normale Stationsverhältnisse herrschten, das hieß, eine erdähnliche Luftzusammensetzung, eine Temperatur von plus zweiundzwanzig Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 55.
    Ich öffnete das Schott zur Hauptzentrale. Auch hier schaltete sich die Beleuchtung automatisch ein.
    Die Bildschirme der Radarerfassung zeigten die Umgebung der Station in verwaschenen Konturen. Draußen tobte schon wieder ein heftiger Orkan. Die Sonne war ein trüber Lichtfleck am Himmel.
    Sehnsüchtig starrte ich auf die kreiselnden Wolkenfelder, die an dem Sonnenfleck vorüberhuschten. Dort oben warteten drei Raumschiffe der Erde …
    Ich schüttelte diese Anwandlung ab. Sie paßte nicht dazu, daß ich mich im Körper eines venusischen Monstrums befand. Außerdem sagte ich mir immer wieder, daß in einem der Schiffe mein richtiger Körper lag und nur darauf wartete, wieder unter die Regie meines Geistes genommen zu werden. Was immer auch meinem venusischen Körper zustieß, es ging mich selbst nur im Rahmen meiner Aufgabe etwas an.
    Im nächsten Augenblick entdeckte ich die tote Gestalt.
    Es war ein Mann. Er trug noch seinen Bordanzug mit dem Emblem der Stationsbesatzung und mit den Rangabzeichen eines Leutnants des Raumforschungskorps. Er lag mit seltsam verkrümmten Gliedern neben dem Sessel des Radarbeobachters.
    Ich kroch näher und sah, daß der Leichnam bereits in Verwesung übergegangen war. Dennoch gab es für mich keinen Zweifel daran, was seinen Tod verursacht hatte.
    Der Kopf war grauenhaft deformiert.
    Diese Feststellung bewirkte bei mir einen Schock, denn wir hatten niemals damit gerechnet, daß die Venusier auch die Molekülverbände anderer Lebewesen verformen konnten …
     
    *
     
    Der Laserstrahler neben seiner rechten Hand schien darauf hinzudeuten, daß er sich gegen den Überfall gewehrt hatte. Demnach waren die Venusier in der Station gewesen!
    Mich fror bei dem Gedanken daran, in welcher Gestalt sich die Venusbewohner wohl in die Station eingeschlichen hatten. Wahrscheinlich hatten sie die Gestalt von einigen Besatzungsmitgliedern angenommen, die zu einer Expedition nach draußen gegangen waren. Ohne Argwohn mußte die Besatzung sie eingelassen haben – bis die Masken fielen.
    Mich packte die kalte Wut.
    Was waren das für Wesen, die keinen Versuch machten, friedliche Kontakte zu den Besuchern ihrer Welt herzustellen, sondern die sie auf heimtückische Weise überfielen und verstümmelten?
    Trotz meiner venusischen Gestalt konnte ich mich in die Denkungsart der Venusier nicht voll und ganz versetzen. Im Grunde genommen war ich Mensch geblieben.
    Ich sah mich genauer in der Zentrale um. Aber der Leutnant blieb der einzige Tote, den ich hier finden konnte. Seltsamerweise waren keinerlei Kampfspuren zu sehen. Selbst der Leutnant schien nicht zum Schuß gekommen zu sein.
    Verwirrt verließ ich die Zentrale wieder und fuhr mit dem Lift zum Quartierdeck hinunter. Alles, was ich bisher in der Station gesehen hatte, deutete offenkundig darauf hin, daß die Besatzung während einer Ruheperiode vom Überfall der Venusier überrascht worden war. Die Männer und Frauen mußten im Schlaf gestorben sein.
    Obwohl mir davor graute, noch mehr verunstaltete Leichen zu Gesicht zu bekommen, wollte ich mir Gewißheit verschaffen. Das gehörte schließlich zu meinen Aufgaben.
    Die erste Kabine war leer.
    Dennoch störte mich etwas daran. Es dauerte einige Minuten, bis ich merkte, daß es die Unordnung war, die überall herrschte. Der Wasserhahn im Waschraum tropfte, ein Handtuch lag auf dem Boden und der Wandspiegel war mit Zahnpasta verschmiert.
    Unter dem Bett fand ich einen Stiefel, den einzelnen Stiefel eines Raumanzuges, wie er von jedem menschlichen Wesen
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